Badminton:Märchenhaft solide

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Ausgezogen, um das Fürchten zu lehren: Yeoh Seng Zoe aus Malaysia. (Foto: Anke Lütticke / oh)

Für den Bundesligisten TSV Neuhausen-Nymphenburg begann auch diese Saison mit dem üblichen Abstiegskampf - doch mit dem haben die Münchner inzwischen nichts mehr zu tun. Zu verdanken ist das drei Zugängen, vor allem dem überragenden Malaysier Yeoh Seng Zoe.

Von Sebastian Hepp

Wenn ein Badmintonteam über Jahre daran gewöhnt war, sich im Tabellenkeller gegen den Abstieg aus der ersten Bundesliga zu stemmen, dann muss sich ein Platz im gesicherten Mittelfeld fast schon wie ein märchenhafter Aufstieg anfühlen. Genauso geht es dem TSV Neuhausen-Nymphenburg zurzeit. Dessen erste Mannschaft erlebt eine Art Wintermärchen, das bis vor wenigen Wochen so noch gar nicht absehbar war. Dabei hat es genau genommen bereits im Sommer 2021 begonnen.

Da nämlich verpflichtete Teammanager Philipp Blonck drei neue Kräfte: die Estin Kati-Kreet Marran, 23, den irischen Nationalspieler Paul Reynolds, 22, und den Malaysier Yeoh Seng Zoe, 23. Drei Glücksgriffe, wie sich inzwischen herausgestellt hat, auch wenn die Saison zunächst gar nicht so recht darauf hindeutete - nach sieben (teils knappen) Niederlagen in den ersten acht Partien.

Bisher war der Münchner Verein vor allem darauf bedacht gewesen, auch in den Männerdoppeln endlich konkurrenzfähig zu werden, mitzuhalten mit den oft übermächtigen Spezialisten in den gegnerischen Teams. Diesmal schlug der Klub aus dem Münchner Westen gleich drei Fliegen mit einer Klappe: Marran, die schon seit einiger Zeit zu den besten Doppelspielerinnen Europas gehört, und ihre Stammpartnerin Annabella Jäger entwickelten sich in der ersten Liga rasch zu einem nur schwer schlagbaren Duo. Ihre Zwischenbilanz: acht Siege bei nur drei Niederlagen. Dazu hat Marran auch im Mixed eine positive Bilanz. Vor allem aber die Verpflichtung von Yeoh Seng Zoe sollte sich als Volltreffer herausstellen. Von einem, der auszog, das Fürchten zu lehren, um bei den Märchen zu bleiben. Obwohl er gut 70 Plätze hinter Neuhausens Spitzenspieler Misha Zilberman auf der Einzelweltrangliste geführt wird (aktuell an Position 120), hat sich der Malaysier zu einer Art Angstgegner in der ersten Bundesliga entwickelt. Alle seine bisher sieben Einzel hat er gewonnen, darunter auch zwei Partien, in denen er den fehlenden Israeli Zilberman im ersten Einzel vertreten musste. Gegen Lüdinghausen zum Beispiel bezwang er den mehrfachen deutschen Einzelmeister Max Weißkirchen in fünf Sätzen.

Die Zuverlässigkeit der Neuen ist für alle im Team ein psychologischer Vorteil

Yeoh Seng Zoes Spiel ist nicht so spektakulär wie das von Zilberman, doch er ist sehr reaktionsschnell und wendig. Seine Spezialität sind gefühlvolle, knapp übers Netz schleichende Bälle, er kann auf dem Court aber auch explodieren und verfügt über eine herausragende Spielübersicht. Der Einzelspezialist und Sieger bei den Irish Open 2021 hat für den TSV bis dato auch in vier von sechs Doppeln gepunktet. Dabei sei es laut Teammanager Blonck lange nicht sicher gewesen, ob er aufgrund der coronabedingten Reisebeschränkungen überhaupt mal würde spielen können. Erst am fünften Spieltag konnte sich im TV Refrath ein erster Gegner davon überzeugen, dass Yeoh Seng Zoe nicht nur zur Zierde auf der Meldeliste steht - prompt gab es den ersten Saisonsieg für den TSV.

Paul Reynolds, der aktuell zwischen Position 50 und 60 auf der Doppelweltrangliste steht, kann mit seinen wechselnden Partnern bisher zwar keine positive Bilanz verbuchen (drei Siege bei sieben Niederlagen), was laut Blonck aber in Ordnung ist, weil Reynolds stets im ersten Männerdoppel antritt - und das sei weiterhin schwer zu gewinnen. "Wir sind jetzt insgesamt breiter aufgestellt und können dadurch auch mal den Ausfall einer Spielerin oder eines Spielers gut kompensieren", sagt er. Insbesondere Yeoh Seng Zoe und Marran hätten "viel Stabilität ins Team reingebracht". "Die gewinnen ihre Spiele meist, das ist für das ganze Team psychologisch ein großer Vorteil." So konnten beispielsweise Tobias Wadenka (an der Seite von Reynolds) und der Pole Przemyslaw Szydlowski (mit Zilberman) im ersten Männerdoppel wichtige Punkte für ihr Team einfahren, der Bulgare Ivan Rusev Atanasov (mit Wadenka und Yeoh Seng Zoe) im zweiten Doppel sowie Wadenka mit Marran im Mixed. Und die Slowenin Kaja Stankovic wuchs im Fraueneinzel auch einige Male über sich hinaus.

So kommt es, dass der TSV zwar seit Saisonbeginn auf seine ukrainische Einzelspezialistin Natalya Voytsekh verzichten muss, die wegen ihrer Schwangerschaft ihre Profikarriere inzwischen beendet hat, er aber zuletzt mit einer 3:4-Niederlage gegen Schorndorf (ohne Yeoh Seng Zoe, Marran und die am Handgelenk verletzte Jäger) den soliden sechsten Tabellenplatz verteidigen konnte. "Wir sind jetzt endgültig erstligatauglich geworden", sagt Blonck. Der Abstiegskampf, versichert er, "ist für uns derzeit kein Thema mehr".

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