Auslosung zur Fußball-WM:Deutsches Ferien-Los

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Freunde, die nun Gegner sind: US-Trainer Jürgen Klinsmann (links oben) und Joachim Löw (Mitte oben). (Foto: Marcus Brandt/dpa)

Wo die Brasilianer ihren Urlaub verbringen, darf sich die deutsche Nationalmannschaft für das Achtelfinale der Fußball-WM warmspielen. Das Erreichen der K.-o.-Runde wird zwar kein Strandspaziergang, ist aber machbar. Und das, obwohl ein halbes Jahr vor Turnierstart genau genommen nur ein Mannschaftsteil steht.

Ein Kommentar von Klaus Hoeltzenbein

Salvador, Fortaleza, Recife - dort verbringen die Brasilianer ihren Urlaub, dort dürfen die Deutschen ihre Vorrundenspiele absolvieren. Kein Manaus, kein Cuiabá, kein Dschungel, kein Abenteuertrip, keine schreckenden Strapazen. Unterwegs auf dem endlosen Küstenstreifen, der Ferienstraße der WM-Gastgeber, darf sich der Reisetross von Joachim Löw in einer herausforderenden, aber nicht unangenehmen, da gut bekannten Gesellschaft mit Portugiesen, Ghanaern und Amerikanern fürs Achtelfinale akklimatisieren.

Dessen Erreichen wird kein Strandspaziergang, aber es darf vermutet werden, dass dieses Etappenziel geschafft wird. Und dass vielleicht schon in der Vorrunde etwas zu erkennen sein wird von jenem Versprechen, das die deutsche Elf am Tag vor der Auslosung mittels Anzeigen in mehreren Zeitungen des Veranstalterlandes gab: "Vocês nem imaginam o quanto de Brasil existe dentro de nós!", lautete die Botschaft: "Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie viel Brasilien in uns steckt." Zu sehen waren Lahm, Neuer, Boateng, Reus, Klose und Schürrle, wie sie mit Brasilianern jubeln.

Wäre am Freitagabend in Costa do Sauipe nicht das deutsche Ferien-Los gezogen, sondern wäre dort Fußball gespielt worden, hätten zwei der sechs Abgelichteten jedoch nicht dabei sein können; Kapitän Lahm erholt sich gerade von einer Muskelzerrung, bei Miroslav Klose lautet die aktuelle Diagnose: Schulterverletzung. Häufiger als früher tritt bei Klose jetzt der sehnige Körper in den Streik. Zehn Tage vor dem deutschen WM-Auftakt am 16. Juni in Salvador gegen Portugal wird Klose seinen 36. Geburtstag feiern, ein Ziel vor Augen: Nur ein Tor fehlt, dann zieht er gleich mit den 15 Treffern des Brasilianers Ronaldo in der Liste der WM-Rekordtorjäger.

Klose ist nur einer, um den sich der Bundestrainer sorgt. Alsbald rücken für ihn wieder die Diagnosen der Ärzte in den Vordergrund, denn ein halbes Jahr vor Turnierstart steht genau genommen nur ein Mannschaftsteil: der Torwart, Manuel Neuer.

Die Abwehr hat Verletzte und ist nicht eingespielt, in der Mittelfeldzentrale, dem Herzstück, gibt es eigentlich nur Patienten: Schweinsteiger (Knöchel-OP), Gündogan (mysteriöser Rücken), Khedira (Kreuzbandriss), hinzu kommen die ständig verbeulten Bender-Zwillinge. Und im Sturm ist es fraglich, ob Klose, ob Mario Gomez im Frühjahr in Italien ihre Form noch finden.

Dass trotz dieser vielen offenen Personalien am Freitagabend an Brasiliens Küste niemand die DFB-Elf aus dem Favoritenkreis gestrichen hat, erzählt viel über den neuen Reichtum des deutschen Fußballs. Die Konkurrenz weiß, dass im Sommer 2014 keine Rumpelfüße, sondern viele Feinfüße made in Germany anreisen werden. Denen könnte es auch reichen, wenn sie sich erst in der Vorrunde auf der Ferienstraße warmspielen.

© SZ vom 07.12.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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