Ashleigh Barty:Die schüchterne Strategin

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Keine Diva, dafür French-Open-Siegerin: Ashleigh Barty aus Australien mit dem Pokal. (Foto: Martin Bureau/AFP)

Die Australierin siegt in Paris, weil sie ihren eigenen Stil kreiert hat. "Es ist eine Freude, sie spielen zu sehen", schwärmte zum Beispiel die australische Tennisikone Rod Laver.

Von Gerald Kleffmann, Paris

Das schwarze Kleid wählte sie, ein schulterfreies und figurbetonendes, und dass es ungewohnt war, sie in diesem edleren Stoff zu sehen, sagte an diesem Sonntagvormittag bereits eine Menge über Ashleigh Barty aus. Die 23-jährige aus Ipswich in Queensland, im Osten der australischen Landkarte, ist keine, die sich gerne öffentlich in Schale wirft, die für Fotos über rote Teppiche stolziert, die Ansprüche anmeldet, wie etwa die Diva Serena Williams, die bei diesen French Open einen Pressekonferenzraum für sich wollte, obwohl dort ja noch Dominic Thiem saß.

Als Barty am Samstag Fragen beantworten sollte, sprach sie gleich bei der ersten Antwort davon, dass sie "eine außergewöhnliche Gruppe an echten, authentischen Leuten" um sich habe. Es war, als sei es ihr fast unangenehm, sich alleine diesen Erfolg zuzuschreiben, der dazu geführt hatte, tags darauf vor einer Wand mit hartgepresstem roten Sand stehen und eine Trophäe präsentieren zu dürfen, die funkelnde Coupe Suzanne Lenglen.

Nur einmal geriet Barty in Roland Garros in Bedrängnis, im Halbfinale kämpfte sie sich nach einem 6:7, 0:3-Rückstand gegen die 17 Jahre alte Amerikanerin Amanda Anisimova doch noch in ihr erstes Grand-Slam-Finale. Dort kontrollierte sie dann einen weiteren Teenager, die Tschechin Marketa Vondrousova, 19. Nach dem souveränen 6:1, 6:3-Sieg erhielt Barty Glückwünsche in einer Fülle, wie sie sonst vielleicht Roger Federer zuteil werden, von Konkurrentinnen und Ex-Profis, vor allem solchen aus der Heimat. Die australischen Legenden Rod Laver und Evonne Goolagong Cawley schwärmten. "Es ist eine Freude, sie spielen zu sehen", sagte der 80-jährige Laver, der zweimal binnen eines Jahres alle vier Grand Slams gewonnen hatte. "Was für ein wunderbares Resultat für Australien, und wie aufregend, dass wieder eine Ureinwohnerin die French Open gewonnen hat", sagte Cawley, 67, die 1971 in Paris gesiegt hatte und gesellschaftspolitisch eine Ikone ist. Bartys Vater Robert ist auch indigener Abstammung, worauf sie stolz ist, das betonte sie ausdrücklich.

Barty wird wohl nicht das werden, was unter dem Begriff "Star" subsumiert wird, schlichtweg, weil sie es nicht sein will. Sie ist nett, nachdenklich, schüchtern. Aber sie genießt aufrichtigen Respekt in der Branche. Das hat zum einen mit der Art zu tun, wie sie Tennis interpretiert. Als die frühere Grand-Slam-Siegerin Gabriela Sabatini in Paris vorbeischaute, um eine Ehrung entgegenzunehmen, sprach sie auch über Typen, die ihr gefielen. "Also, ich mag Barty", sagte die 49-jährige Argentinierin sofort, "sie ist eine sehr strategische Spielerin." In der Tat. Barty spielt Stopps, setzt Unterschnitt bei der Rückhand ein, kann vollieren und, obwohl nur 1,66 Meter groß, hart aufschlagen. In Paris gelangen ihr 38 Asse. Barty bereichert ihren Sport mit einer sehr neuen Note. "Es gibt so viele wunderbare Spielerinnen", sagte sie, "aber mein Coach sagte mir immer: Wir kreieren deinen eigenen Stil." Der formte sich dank ihres natürlichen Bewegungstalents.

Eine zweite Ebene an ihr wird nicht minder bewundert. Bartys Weg führte nicht immer linear nach oben, auch wenn das zuletzt der Fall war. Sie siegte ja schon im März beim Turnier in Miami und war längst eine Mitfavoritin. 2011 gewann sie als Juniorin Wimbledon, in Australien spürte sie nur den Druck, gut werden zu müssen. Ende 2014 stieg sie aus und reüssierte ohne Vorlauf auf höchstem Niveau: im australischen Cricket bei den Brisbane Heat. "Ich brauchte Zeit, um etwas anderes zu machen, um ein normales Leben zu leben, weil das Tennisleben nicht normal ist", sagte sie in Paris. Aber Tennis, das spürte sie, war ihr Leben. So kehrte sie ein Jahr später zurück, wie ein Boomerang, wie die französische Sportzeitung L'Equipe titelte. Bartys Profikollegin Casey Dellacqua hatte sie letztlich dafür motiviert.

"Es geht darum, deinen eigenen Weg zu finden", sagte Barty, "und ihn zu genießen." Sie tue das. "Ich denke zuallererst, dass wir in einer ziemlich tollen Welt leben im Tennis. Wir reisen in schöne Städte und spielen vor Tausenden Menschen, die den Sport lieben." Es klang einleuchtend, was sie unaufgeregt vortrug, und zeigte einmal mehr, warum sie so geschätzt wird. "Dieses Mädchen hat mir und allen anderen in den Hintern getreten", schrieb Andrea Petkovic anerkennend im Internet (sie verlor gegen Barty in Runde drei). Dazu veröffentlichte sie ein Foto, das Barty als Kind zeigte. Schon damals hatte sie einen Pokal in der Hand.

© SZ vom 11.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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