Artur Abraham in Las Vegas:"Wenn ich gewinnen will, muss ich auch mal zuhauen"

Lesezeit: 4 min

Gilberto Ramirez (rechts) trifft Artur Abraham wuchtig. (Foto: Mike Nelson/dpa)

0:12 mal drei: Artur Abraham boxt in Las Vegas tatsächlich so schrecklich, wie sich das Resultat liest. Ob er jemals wieder einen Profikampf in den USA bestreiten darf?

Von Jürgen Schmieder, Las Vegas

Es muss sich für einen Kämpfer derzeit wie eine leichte und doch schmerzhafte Ohrfeige anfühlen, wenn er das MGM Grand in Las Vegas betritt. Draußen an der Wand, direkt über dem Eingang, hängt ein riesiges Plakat mit dem Hinweis, dass dies die Heimat von Floyd Mayweather junior sei. Natürlich war der einer der besten Boxer der Geschichte, natürlich hat er in der Garden Arena - in der einst auch Mike Tyson in das Ohr von Evander Holyfield gebissen hat - beeindruckende Duelle geliefert.

Er ist jedoch kein Kämpfer mehr, er ist seit Mai vergangenen Jahres Privatier. Es wird deshalb, nach der Niederlage vor kurzem von Mixed-Martial-Arts-Kämpfer Conor McGregor und nach dem (vermutlich) letzten Kampf in der Karriere des Boxers Manny Pacquiao ein neuer Mieter für diese legendäre Boxarena gesucht.

Abraham verliert mit dem schlimmsten Ergebnis

Das Management des Sauerland-Boxstalls hatte geglaubt, dass Arthur Abraham mal einen Bewerbungskampf absolvieren sollte und ihn zur Pflichtverteidigung in diese Halle geschickt. Abraham bekam dort eine schallende, eine schmerzhafte Ohrfeige, er verlor seinen WM-Titel im Supermittelgewicht mit dem schlimmsten Ergebnis, das beim Boxen durch ein Urteil der Punktrichter möglich ist: Alle drei werteten jede der zwölf Runden für den erst 24 Jahre alten Mexikaner Gilberto Ramirez.

Boxkampf gegen Gilberto Ramirez
:Abraham mit der deutlichsten aller Niederlagen

Arthur Abraham wollte sich in Las Vegas für weitere Kämpfe in den USA empfehlen. Er verliert jedoch mit dem schlimmsten Ergebnis, das einem die Punktrichter attestieren können. Der Kampf in der Rundenkritik.

Von Jürgen Schmieder

Abraham boxte tatsächlich so schrecklich, wie sich das Resultat nun liest, er versteckte sich beinahe den kompletten Kampf über hinter seiner Doppeldeckung und wirkte wie jemand, der nicht fassen konnte, wie schlimm er da gerade agierte.

Ramirez boxte keineswegs spektakulär, er war beweglich, aufmerksam und erstaunlich abgebrüht. Er tänzelte locker um seinen Gegner herum, er nutzte geschickt seinen Reichweitenvorteil von 14 Zentimetern, wich den wilden Schwingern seines Gegners reaktionsschnell aus und brachte ihn durch gezielte Körpertreffer in Bedrängnis. Auf ungestüme Attacken reagierte er mit präzisen Kontern, wenn er tatsächlich mal in Bedrängnis geriet, dann brachte er Abraham durch Schläge in die Leistengegend und an den Hinterkopf aus der Fassung. Er musste dieses illegale Stilmittel aufgrund Abrahams Zurückhaltung allerdings nur so oft verwenden, dass er lediglich verwarnt und nicht mit Punktabzug bestraft wurde. Diese Taktik, die manche als unfair bezeichnen und andere als clever, wird gemeinhin dem erfahrenen Boxer zugetraut und nicht dem zwölf Jahre jüngeren Herausforderer.

"Mein Gegner war locker und schnell, er hat sich viel bewegt - ich war dagegen verkrampft und bin nie an ihn herangekommen. Ich wurde immer wütender und dadurch noch verkrampfter. Von der fünften Runde an wusste ich, dass dies nicht mein Abend ist", sagte Abraham nach dem Kampf und klagte: "Er hat mich nie hart getroffen, das waren Pipi-Schläge." Dafür, dass es nach Abrahams Dafürhalten nur weiche Schläge von Ramirez waren, taumelte er allerdings bisweilen arg benommen durch den Ring, in der zweiten und siebten Runde etwa, als er nur durch den Gong vor einem Niederschlag bewahrt wurde.

Abraham wollte danach seine Leistung an diesem Abend ausführlicher erklären ("ich habe die falsche Taktik gewählt, das war mein Fehler"), bekam jedoch sogleich die nächste kräftige Ohrfeige verpasst. Sein Trainer Ulli Wegner schob sich beim Gespräch mit den Journalisten wütend nach vorne und legte los, wie nur Ulli Wegner loslegt: "Wir wussten genau, wer uns erwartet. Wir wussten, dass er schnell und beweglich sein würde. Wir haben genau die richtigen Trainingspartner gewählt und auch die richtige Taktik."

Und dann folgten besonders distanzierende Worte: "Wenn ich gewinnen will, dann muss ich auch mal nach vorne marschieren und auch mal zuhauen. Ich bin total enttäuscht und muss darüber nachdenken, ob ich noch der richtige Trainer bin. Ich muss mich fragen: Zieht er mit oder nicht?"

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(Foto: Christian Petersen/AFP)

Rumms! Arthur Abraham (rechts) behauptete zwar, sein Bezwinger Gilberto Ramirez habe nur "Pipi-Schläge" ausgeteilt...

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(Foto: Mark J. Rebilas/USA Today Sports)

... aber dafür wirkte der entthronte Weltmeister oft ganz schön benommen.

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(Foto: John Locher/AP)

Eigentlich sollte der Auftritt in Las Vegas für Abraham ein reiner Bewerbungskampf werden, bevor die Titelverteidigung ansteht.

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(Foto: Mike Nelson/dpa)

Der Kampf wurde zur Schmach, die drei Punktrichter waren sich einig: Abraham verlor alle zwölf Runden nach Punkten.

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(Foto: Mark J. Rebilas / Reuters)

Nach dem Kampf bedankt sich der Geschlagene bei seinem Kontrahenten Ramirez.

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(Foto: Isaac Brekken/AP)

Der Mexikaner freut sich nach seinem souveränen Fight, bei dem er schnell, kraftvoll und tänzelnd auftrat.

Es war die fünfte Niederlage in der Karriere des 36 Jahre alten Abraham. Es muss zum einen die Frage erlaubt sein, ob das Sauerland-Management seinem Boxer tatsächlich einen Gefallen getan hat, diese Pflichtverteidigung in den USA auszutragen, obwohl der Kampf von Sauerland ersteigert und zunächst in Berlin geplant worden war. Freilich fehlt in Deutschland der lukrative ARD-Vertrag, freilich hat der amerikanische Promoter Bob Arum sehr viel Geld geboten, freilich ist ein Kampf im MGM Grand ein großartiges Erlebnis für einen Boxer - doch wurde damit dem jungen Mexikaner eine Bühne bereitet und nicht Abraham. "Es war eine große Chance, ein Statement abzugeben, das ist leider nicht gelungen", sagte der Manager. Einen Fehler bei der Planung wollte Sauerland freilich nicht eingestehen.

Abraham muss nun wieder in Deutschland boxen

Abraham hat in Las Vegas gekämpft wie vor sechs Jahren beim Super-Six-Turnier, bei dem er innerhalb von 15 Monaten drei wuchtige Ohrfeigen bekommen hatte, weshalb damals bereits über ein Ende seiner Karriere spekuliert wurde. Es muss deshalb auch die Frage gestellt werden, wie es weitergeht mit Abraham. Die Bewerbung um lukrative Kämpfe in den USA dürfte erst einmal abgelehnt werden - auch wenn Abraham sagt: "So darf ich nicht gehen. Ich werde zurückkommen und hoffentlich auch Kämpfe in den USA bestreiten." Er wird nun aber erst einmal wieder in Deutschland boxen. Er ist im Herbst seiner Karriere nicht mehr der Weltmeister, der auf Millionen in den USA hoffen darf. Es ist nun wieder der Herausforderer.

Abraham will noch ein paar Tage in Las Vegas bleiben, bis die doch deutlich sichtbaren Spuren dieser Niederlage zumindest ein bisschen verheilt sind, dann wird er zurückfliegen nach Deutschland. Als er das MGM verließ, musste er vorbeigehen an diesem riesigen Plakat von Floyd Mayweather junior. Es musste sich anfühlen wie die letzte Ohrfeige an diesem Abend. Abraham weiß nun: Dieses Hotel, das dürfte nicht seine Heimat werden.

© SZ vom 11.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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