Frauenfußball:Das war's

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Eine der erfolgreichsten deutschen Fußballerinnen beendet ihre Karriere als Spielerin: Anja Mittag will nun als Trainerin RB Leipzig in die erste Liga führen.

Von Anna Dreher

Anja Mittag hatte sich zum Abschied noch mal einen großen Erfolg gewünscht. Der Glaube daran ist bei der Europameisterschaft 2017 da gewesen, zumindest am Anfang. Über die Jahre war es ja quasi zur Regel geworden: Die Fußball-EM der Frauen gewinnen die Deutschen. Das wäre doch ein passender Abschied für eine Spielerin wie sie gewesen: Ihre Nationalmannschaftskarriere mit einem weiteren Titel zu beenden, vielleicht sogar wie 2013 mit ihrem ersten Ballkontakt im Finale das Siegtor zu schießen. Aber im Chaos um das Viertelfinal-Aus überwog der Frust. Mittag weinte, mehr als die anderen, weil sie schon wusste: Das war's! Am 22. August 2017 verabschiedete sie sich mit emotionalen Worten auf ihren Social-Media-Profilen. Eine, die so viel gewonnen hatte, ging mit einer Niederlage.

Nun, knapp drei Jahre später, hat Mittag, 35, wieder emotionale Worte gefunden. Eine der erfolgreichsten deutschen Fußballerinnen wird als aktive Spielerin endgültig aufhören und ab der kommenden Saison als Individualtrainerin bei RB Leipzig arbeiten, wo sie in dieser Funktion seit vergangenem Jahr zum Team gehört und mit 17 Toren maßgeblichen Anteil am Aufstieg in die zweite Bundesliga hatte.

"Mir war damals schon klar", sagte Mittag der SZ, "dass ich mich perspektivisch voll und ganz auf meine Funktionen außerhalb des Platzes konzentrieren will. 18 Jahre im Leistungssport sind eine echt lange Zeit, und ich freue mich jetzt einfach, mich vollumfänglich auf das Trainerdasein einzulassen." Ihr Ziel lautet nun, mit Leipzig in die erste Liga aufzusteigen.

Als Mittag nach ihren fußballerischen Anfängen in ihrer Heimatstadt beim VfB Chemnitz, dem Chemnitzer FC und später dem FC Erzgebirge Aue 2002 in die Bundesliga zum 1. FFC Turbine Potsdam wechselte, gestaltete sie eine der erfolgreichsten Phasen des Klubs mit und entwickelte sich zu einer der besten deutschen Offensivspielerinnen - in einer Zeit, in der Birgit Prinz und Inka Grings spielten, mit die erfolgreichsten deutschen Stürmerinnen überhaupt. Von diesen beiden, sagte Mittag nach ihrem ersten Abschied, wurde sie auch mit am meisten geprägt: "Aber da sind auch frühere Kolleginnen wie Sonja Fuß oder Renate Lingor, die mich als junge Spielerin an die Hand genommen hatten und von denen ich viel gelernt habe in meiner Anfangszeit."

Prinz, Grings, Fuß, Lingor - diese Namen stehen für eine Generation, die Deutschland zum jahrelangen Titelabonnenten gemacht hat. Mittag gehörte bei ihrem ersten Länderspiel gegen Italien am 31. März 2004 schon zur nächsten Generation, die für eine andere Art von Fußballerin auf dem Weg zur Professionalisierung stand - und doch eng mit der alten Garde verbunden war. Mit ihnen gewann Mittag 2007 die Welt- und zwei Mal die Europameisterschaft (2005, 2009) sowie Bronze bei Olympia 2008. Mit Potsdam - für das sie mit einer Unterbrechung insgesamt acht Jahre lang spielte - war sie da schon fünf Mal Deutsche Meisterin, drei Mal DFB-Pokalsiegerin, Champions-League- und Uefa-Cup-Siegerin geworden.

Und nach all den Erfolgen war sie ausgerechnet dann nicht mehr herausragend, als mit der WM 2011 in Deutschland für das Nationalteam ein Höhepunkt anstand. Bundestrainerin Silvia Neid verzichtete auf Mittag. Obwohl diese als Lieblingsspielerin des damaligen DFB-Präsidenten Theo Zwanziger galt. Mit Abstand sagte Mittag später dazu: "Ich war nicht gut drauf und auch irgendwie satt." Nur zusehen zu können, fand sie aber furchtbar, Mittag wollte zurück in die Auswahl - und verließ Deutschland in Richtung Schweden, "eine der wichtigsten Entscheidungen meines Lebens".

Mit dem LdB FC Malmö, später FC Rosengård, gewann sie insgesamt je zwei Mal die schwedische Liga, den Pokal und den Supercup. In Schweden wurde sie zwei Mal Torschützenkönigin und zwei Mal zur Spielerin des Jahres gewählt. Dieser Ortswechsel gab ihr auch in der DFB-Elf Energie und Selbstbewusstsein zurück. Inzwischen wiederum war sie die Erfahrene im Nationalteam, das aufgrund von Verletzungen zum Umbruch gezwungen wurde und bei der EM 2013 dennoch den Titel holte - mit Mittags entscheidendem Tor. 2016 folgte die eigentliche Krönung: Olympisches Gold. Damit und mit dem Champions-League-Titel seien "wirklich Kindheitsträume für mich in Erfüllung gegangen", sagt Mittag. Mit ihren 158 Länderspielen (50 Tore) liegt sie auf Platz vier der DFB-Spielerinnen mit den meisten Einsätzen. In der Bundesliga traf sie in 180 Partien 121 Mal. Mittag führte Partien in der Offensive mit hohem Tempo an und schoss unberechenbar aufs Tor.

Torgarantin: Bei der WM 2015 ist Anja Mittag mit fünf Treffern in sechs Partien drittbeste Torschützin des Turniers gewesen. In 158 Länderspielen traf sie für die deutsche Nationalmannschaft insgesamt 50 Mal. (Foto: Justin Tang/AP)

Andere Kulturen, andere Sprachen und auch einen anderen Fußball zu erleben, war ihr wichtig. Und so ging sie 2015 zu Paris Saint-Germain, 2017 zum VfL Wolfsburg - mit dem sie noch mal Meister wurde - und kehrte im Sommer 2017 zum FC Rosengård zurück. Mittag wurde dann im Oktober 2017 zur ersten Fußballerin, die in einem Uefa-Vereinswettbewerb 50 Tore erzielt hat - bis die Norwegerin Ada Hegerberg sie fünf Monate später einholte. Eine Profifußballerin der nächsten Generation, der auch Mittag mit ihrer Karriere den Weg geebnet hat.

Das sächsische Landespokalfinale am 30. August zwischen RB Leipzig und dem FC Phoenix Leipzig wird der letzte Auftritt von Anja Mittag auf dem Rasen sein. Vielleicht klappt es dieses Mal mit einem Titel zum Abschied.

© SZ vom 17.07.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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