Eintracht Frankfurt:Die Champions League rückt näher

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16 Saisontore: André Silva von Eintracht Frankfurt. (Foto: Kai Pfaffenbach/Reuters)

16 Saisontore hat André Silva bereits erzielt, zusammen mit Jovic und Kostic bildet er in Frankfurt ein beeindruckendes Offensiv-Triumvirat. Sogar Ronaldo ist begeistert.

Von Frank Hellmann, Frankfurt

Die Erinnerungen an den 3. Oktober 2020 lösen bei Eintracht Frankfurt Wehmut aus. Am Tag der Deutschen Einheit durften zum Heimspiel gegen die TSG Hoffenheim noch 8000 Besucher in die Arena pilgern, es war ein milder Herbstnachmittag, an dem der Mittelstürmer Bas Dost in einer zäh dahinfließenden Partie den 2:1-Siegtreffer erzielte. Seither hat die Eintracht nicht mehr vor Zuschauern gespielt, dabei bereitet das Zusehen von Spieltag zu Spieltag immer mehr Spaß. Wenn die Frankfurter nur wenige Monate später am Sonntag zum Rückspiel bei der TSG Hoffenheim antreten, dann liegt ein interessanter Stilwechsel hinter ihnen. Aus der auf Körperlichkeit gepolten Kämpfertruppe ist ein vor Spiellaune sprühendes Ensemble geworden, das alle Elemente einer Spitzenmannschaft beherrscht. Mit sieben Siegen aus den jüngsten acht Bundesligaspielen (zuletzt 3:1 gegen Hertha BSC) sind die Hessen auf Rang vier geklettert.

Der Adler, das Wappentier der Eintracht, schraubt sich immer höher. Und die Frankfurter hätten das Zeug dazu, sich in der Tabelle in den Champions-League-Regionen festzusetzen, findet Sportvorstand Fredi Bobic, der den Kader des Emporkömmlings verantwortet: "Das ist ein verdienter Lauf." Sein Team spielt aktuell den vielleicht unterhaltsamsten Fußball der Liga. Offensiv, angriffslustig, trickreich, unberechenbar. Bobic, 49, sagt: "Wir mussten uns erst einmal neu definieren im Sommer. Irgendwann hat man gemerkt, da entwickelt sich etwas. Schauen wir mal, wo die Reise hingeht."

Erst einmal an diesem Wochenende mit knapp anderthalb Stunden Busfahrt über die A6 ins Stadion nach Sinsheim. Aber dass die derzeit ausgesperrten Anhänger von flirrenden Europapokalnächten träumen, versteht sich von selbst. Wobei es auch in Corona-Zeiten ein Segen wäre, würde nach zwei Europa-League-Teilnahmen (2018/2019 und 2019/2020) die Champions League mit ihren gewaltigen Ertragsmöglichkeiten als Ziel erreicht werden.

"Man muss Spielern auch mal Zeit geben, den Fußball in Deutschland kennenzulernen", sagt Trainer Hütter über Silva

Dann hätte auch einer wie André Silva wirklich alles richtig gemacht, der am letzten Tag der Sommertransferperiode 2019 im Tausch mit dem Kroaten Ante Rebic vom AC Mailand nach Frankfurt kam. Anfangs fremdelte Silva auf neuem Geläuf. Rückblickend war zumindest für den Portugiesen die pandemiebedingte Bundesliga-Zwangspause im Frühjahr 2020 von Vorteil, denn die nutzte der 25-Jährige, um endlich anzukommen. Acht Tore gelangen Silva bereits nach dem Re-Start in der Vorsaison, aktuell steht er bei erstaunlichen 16 Saisontreffern - Platz zwei in der Torjägerliste hinter Robert Lewandowski.

"Man muss Spielern auch mal Zeit geben, den Fußball in Deutschland, das Umfeld und die Sprache kennenzulernen", findet Eintracht-Trainer Adi Hütter. Der 37-fache portugiesische Nationalspieler vereint Schnelligkeit und Beweglichkeit, Zweikampf und Kopfballstärke - und Elfmeter verwandelt er ebenso sicher wie in München Lewandowski. Allmählich wird klar, warum Cristiano Ronaldo einst über seinen jungen Landsmann sagte: "Wenn ich zurücktrete, wird Portugal in guten Händen sein. Denn das Team hat bereits einen tollen Stürmer." Auf seiner ersten Auslandsstation in Mailand beging Silva allerdings den Fehler, alle Probleme introvertiert mit sich selbst ausmachen zu wollen. "Ich wollte gegenüber meinen Eltern immer stark wirken und keine Schwäche zeigen. Insgesamt waren die vergangenen Jahre nicht leicht", gab Silva kürzlich im Vereinsmagazin der Eintracht zu.

"André ist absolut explodiert", findet Bobic. Das Auge für Stürmer ist bei Bobic bekanntlich naturgegeben, in seiner privaten Bilanz stehen 37 Länderspiele mit zehn Treffern. Auch deshalb inszenierte Bobic in der Transferzeit im Winter eine auffällige Rochade: An Heiligabend wurde Großverdiener Dost, 31, zum FC Brügge transferiert, im Gegenzug kehrte Luka Jovic, 23, zur Eintracht zurück, der nun wieder die Nummer neun trägt. Angeblich kostet die Frankfurter das bis zum Saisonende befristete Leihgeschäft mit Real Madrid weniger als 1,5 Millionen Euro. Bei Real unglücklich und weitgehend torlos, glückten dem Serben an seiner alten und neuen Wirkungsstätte bei vier Teilzeiteinsätzen gleich drei Treffer.

Noch befindet sich Jovic in der Phase der Akklimatisation. Wegen körperlicher Defizite kommt er bislang nur als Joker zum Zuge. Doch allein seine Rückkehr genügte, um zudem auch seinen Landsmann Filip Kostic am linken Flügel wieder auf Tempo zu bringen. Silva, Jovic und Kostic werden am Main bereits als "Büffelherde 2.0" tituliert. Eine Anlehnung an das wuchtige und treffsichere Eintracht-Triumvirat mit Rebic, Jovic und den Franzosen Sebastian Haller (heute Ajax Amsterdam), das das Publikum begeisterte, aber im Sommer 2019 ins Ausland transferiert wurde.

Aber der Aufstieg der Eintracht beinhaltet mehr als nur die Beschleunigung der Offensive. Taktiker Hütter, 50, hat an vielen Stellschrauben gedreht. Im zentralen Mittelfeld vertraut der Österreicher seit Wochen dem stark verbesserten Schweizer Djibril Sow und dem auch mit 37 Jahren nahezu unverwüstlichen Japaner Makoto Hasebe. Beide geben dem Spielaufbau Struktur. Ist der Ball dann weiter vorne bei einem der beiden Zehner angelangt, bei Trickser Amin Younes oder Japans Edeltechniker Daichi Kamada, ist André Silva längst in Lauerstellung. Um mal kühl, mal kunstvoll zu vollenden.

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