Fußball in Bayern:Die Amateure stimmen über ihre Zukunft ab

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Wegen Corona-Virus geschlossener Sportplatz in München, 2020 Die Fußballfelder des ESV München an der Margarethe-Danzi-Straße 21 in Nymphenburg müssen während der Corona-Krise wie alle anderen Sportanlagen geschlossen bleiben. Die Geschäftsführung hat entsprechende Absperrungen angebracht. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Saisonende im April 2021? In Bayern sollen 5100 Vereine entscheiden, ob die Saison weitere viereinhalb Monate pausiert. Der Landesverband will eine Vorreiterrolle einnehmen.

Von Christoph Leischwitz

Viele Menschen haben zurzeit viele Videokonferenzen. Doch gäbe es dafür eine Tabelle, die Verantwortlichen des Bayerischen Fußball-Verbandes dürften sehr weit oben stehen. Seit Wochen haben sie versucht, Vertreter von 5100 Vereinen von ihrem Plan zu überzeugen. Am Wochenende stehen weitere Konferenzen an, und am Sonntag, 18 Uhr, schließt dann das virtuelle Wahlbüro des BFV. Bis dahin sollen alle Klubs folgenden Satz mit Ja oder Nein beantworten: "Ich stimme dem Vorschlag zu, die Saison bis zum 31. August 2020 auszusetzen und - wenn durch staatliche Vorgaben möglich - ab 1. September fortzusetzen." Jeder Verein hat eine Stimme.

Das Ergebnis ist richtungsweisend: Sollte die Mehrheit mit Nein stimmen, wäre ein Außerordentlicher Verbandstag vonnöten, der das weitere Vorgehen festlegen müsste. Wird der Plan aber angenommen - und dafür spricht einiges - dann würden alle Mannschaften im Amateurfußball, von der Regionalliga bis zur C-Klasse, zwar lange pausieren - aber mit der festen Absicht, die Saison fortzusetzen (nur das Prozedere für die Regionalliga muss gesondert geklärt werden). In diesen Ligen werden jedes Wochenende rund 14 000 Spiele ausgetragen. Mit der geplanten Regelung wäre auch Zeit gewonnen, weil niemand sagen kann, wann genau es weitergeht.

"Wer jetzt abbricht, zerschießt sich die laufende Saison und hat gleichzeitig auch keinerlei Garantie für die Spielzeit 2020/21, was Startzeitpunkt, Mannschaftsstärke pro Liga und Anzahl der Auf- und Absteiger anbelangt", sagt BFV-Präsident Rainer Koch. Der BFV habe sich in der Pflicht gesehen, Planungssicherheit für seine Mitglieder zu schaffen.

Und dann? Wird die Folgesaison verkürzt absolviert?

Der Verband gibt mehrere Gründe für diesen Schritt an: Wie man eine abgebrochene Saison annullieren oder werten und Auf- und Abstiegsfragen klären sollte, wäre mangels Rechtsgrundlagen völlig unklar. Ein weiterer Grund: Negativbeispiele aus dem Ausland. Der vorzeitige Abbruch der Amateursaison in England und Österreich hat für Empörung und erste juristische Einsprüche gesorgt. Für den BFV ist es besonders wichtig, sich und seinen Vereinen solche möglichen Auswirkungen eines Saisonabbruchs zu ersparen: Klubs auf Auf- oder Abstiegsplätzen könnte sich in Ligen einzuklagen versuchen oder entgehende Einnahmen einfordern. Auch Regressforderungen von Sponsoren oder Vereinwirten, sogar gegenüber dem BFV, wären bei einem Saisonabbruch denkbar.

Dritte Liga und Amateure
:Appell aus Bayern

Die bayerischen Drittligisten wollen die Saison zu Ende spielen, doch die Liga selbst ist bei der Exit-Strategie gespalten. Der Amateurfußball steuert derweil in eine lange Pause - bei einem Saisonabbruch drohen sogar Klagen.

"Wir brauchen Sicherheit", sagt Koch. Denn auch der BFV sei gebeutelt, man rechne mit rund fünf Millionen Euro weniger Einnahmen. Ziel sei es, Klagen zu vermeiden und "möglichst wenige Entscheidungen am grünen Tisch" zu treffen. Den Stichtag 1. September hatte der Verband schon vor einer Weile anvisiert. Erstens hält man das Datum für realistisch, auch wenn Koch betonte, dass der Ball auch erst viel später wieder rollen könnte. Zweitens erlaubt das Zeitfenster mehrere Szenarien, wie und wann die Saison beendet werden kann. Koch sagte, der letztmögliche Zeitpunkt, an dem die Saison 2019/20 zu Ende sein müsse, sei der 1. April 2021. Drittens spekuliert der BFV offenbar auf eine deutschlandweite Vorreiterrolle. Zu hoffen sei, dass andere Verbände mitziehen und so der Amateurfußball synchronisiert werde, sagte Geschäftsführer Jürgen Igelspacher. Es sei ja auch schon dafür gesorgt worden, dass den Klubs durch die Krise keine Lizenzprobleme entstünden.

Und was ist mit der nächsten Saison 2020/21? Soll sie sofort nach Abschluss der aktuellen beginnen? Wird die Folgesaison danach verkürzt absolviert? Wird es keine lange Winterpause gehen? Was ist mit Spielerverträgen und Transfers während der Pause? Fragen wie diese werden mit der Abstimmung noch nicht beantwortet. Viel hängt davon ab, wann der Spielbetrieb tatsächlich wieder starten kann; dabei sei von allen Beteiligten Flexibilität gefordert. Unterschiedliche Modelle sollen ausgearbeitet und dann erneut zur Abstimmung gestellt werden - zu gegebener Zeit.

Wahrscheinlich ist, dass die Ligen im Herbst sogar zeitlich unterschiedlich zu Ende spielen - eine A-Klasse mit nur zwölf Klubs wird sich da leichter tun als die Bayernliga mit 18 Teams. In vielen Spielklassen stünden zudem Relegationsspiele an, die sich über Wochen hinziehen. Eine Sonderrolle nimmt die Regionalliga ein, weil Bayern heuer einen direkten Aufsteiger in die dritte Liga stellt. Wie es dort weitergeht, ist offen, also auch die Frage, wann dieser Aufsteiger (Favorit: Türkgücü München) feststehen muss. Endgültig festgelegt habe die Liga am Donnerstag, so Koch, dass es keine Geisterspiele geben wird.

Der BFV hatte nicht nur viele Konferenzen abgehalten, sondern auch ein Meinungsforschungsinstitut beauftragt, um ein Stimmungsbild unter den Vereinen zu erstellen. Schwer vorstellbar, dass diese repräsentative Umfrage keine Mehrheit für die nun vom BFV vorgeschlagene Aussetzung bis September ergeben hat. Mit anderen Worten: Der Amateurfußball wird höchstwahrscheinlich weitere viereinhalb Monate ruhen. Die Spielpause bis 1. September soll auch für alle Frauen- und Nachwuchsligen gelten. Für den Jugendbereich müssen aber eigene Szenarien für die künftige Ligagestaltung entwickelt werden.

© SZ vom 18.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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