Alphonso Davies:Unverbiegbar

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Der gelernte Außenstürmer ist beim 4:0 gegen Dortmund einer der besten Spieler des FC Bayern - als Linksverteidiger. Vor dem Spiel galt der Kanadier noch als Notlösung.

Von Benedikt Warmbrunn, München

Im Sommer, als sogar beim FC Bayern der Herbst noch fern war, kritzelte Hasan Salihamidzic eine mögliche erste Startelf auf. Ein paar Namen müsste der Sportdirektor jetzt, im November, wieder wegradieren, die Innenverteidiger Lucas Hernández und Niklas Süle zum Beispiel, auch der Sechser Thiago droht als Idee zu verwelken wie ein schon dunkeloranges Herbstblatt. Als Salihamidzic damals die erste Elf fertig geschrieben hatte, machte er sich daran, die Ersatzleute dazuzuschreiben, bei einer Position wartete er kurz, er guckte auf, dann schrieb er mit viel Genugtuung: Alphonso Davies.

Es kam ja im Sommer wie eine wilde Idee daher, den Kanadier Davies, der wenige Monate zuvor noch als Außenstürmer durch die nordamerikanische Major League Soccer gedribbelt war, der so viel Geschwindigkeit in seinen Beinen hat, dass er manchmal dem Ball und auch den eigenen Gedanken davonrennt - es kam also wie eine wilde Idee daher, diesen talentierten, aber noch nicht ausgereiften Mann auf eine Position zu setzen, auf der es weltweit nicht viele gibt, die sie wirklich beherrschen. Es war eine Idee, die am vergangenen Mittwochabend nocher wild wirkte, als Davies als Linksverteidiger in der Champions League gegen Piräus Zweikämpfe überhastet führte. Am Samstagabend aber, beim 4:0 gegen Borussia Dortmund, wirkte diese Idee wie eine zwingend logische Entscheidung. Davies war vielleicht der beste Mann auf dem Platz, sicher aber war er der Mann der ersten Halbzeit.

Das wohl dynamischste Außenverteidigertandem der Liga: Alphonso Davies (links, im Zweikampf mit Dortmunds Jadon Sancho).... (Foto: Christof Stache/AFP)

Die linke Abwehrseite mit dem unerfahrenen Davies, sie war vor dem Spiel schnell als mögliche Schwachstelle bei den Bayern ausfindig gemacht worden - gegen die schnellen Dortmunder Jadon Sancho und Achraf Hakimi! Gerade die Dortmunder sahen das so, von ihren wenigen Angriffsversuchen starteten sie die meisten über diese Seite. Aber es lief dann so: Davies gewann einen Zweikampf nach dem anderen gegen Sancho, er gewann einen Zweikampf nach dem anderen gegen Hakimi, er war in Laufduellen schneller, und er war in jeder Aktion verdammt abgeklärt, gerade für einen, der erst eine Woche zuvor 19 Jahre alt geworden war. Davies, der als Notlösung ins Spiel gegangen war, wirkte mit seiner Schnelligkeit und seiner Technik auf einmal wie eine ziemlich ideale Lösung für das offensive Verteidigen, das Bayern-Trainer Hansi Flick sehen wollte. "Alphonso ist von Spiel zu Spiel besser geworden", sagte Flick, "er hat einen enormen Speed und ist im Zweikampf sehr geschickt." Und auch Klubboss Karl-Heinz Rummenigge lobte: "Man hat gesehen, dass er eine gute Entwicklung macht."

Gegen Dortmund spielte Davies zum vierten Mal in dieser Saison auf der linken Seite, auch in der Woche zuvor beim 1:5 in Frankfurt spielte er dort, dem letzten Spiel unter Trainer Niko Kovac - der also nicht ganz unbeteiligt daran ist, den Kanadier umzuschulen. In Frankfurt hatte Davies das Tor vorbereitet, er war zudem, wie Manuel Neuer am Samstag betonte, "noch einer derjenigen, die sich okay verhalten haben". Für manche mag das überraschend sein, nicht aber für Alphonso Davies, der als 14-Jähriger nur von Edmonton nach Vancouver ziehen durfte, weil er seiner Mutter versprach, dass er sich nicht verbiegen lässt, egal, was in der großen Welt des Fußballs mit ihm passieren würde.

...und Benjamin Pavard (rechts, beim Jubeln mit Trainer Hansi Flick). (Foto: Alexander Hassenstein / Getty)

Dass Davies zurzeit dauerhaft hinten links spielt, ist auch ein Zeichen der personellen Not; er wird dort aber mindestens noch eine Partie bleiben dürfen. Dann kehrt Jérôme Boateng nach seiner Rotsperre zurück. Bis dahin wird Davies gemeinsam mit dem Rechtsverteidiger Benjamin Pavard das wohl dynamischste Außenverteidigertandem der Liga bilden. Pavard, der das 1:0 durch Robert Lewandowski mit einer mutigen Volleyflanke vorbereitet hatte, war als Rechtsverteidiger noch ein bisschen offensiver als Davies auf der anderen Seite. Doch der Franzose muss genauso wie Davies aufpassen, dass er sich mit seinen guten Leistungen nicht dauerhaft für eine Position empfiehlt, die er eigentlich gar nicht anstrebt. Pavard sieht sich eigentlich als Innenverteidiger.

© SZ vom 11.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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