Alexander Zverev bei den French Open:Getragen von Herz und Emotion

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Alexander Zverev schreit seine Freude hinaus - er hatte hart gearbeitet fürs Viertelfinale. (Foto: Getty Images)
  • Alexander Zverev schafft es mit einem Fünfsatz-Sieg gegen den Russen Chatschanow erstmals in ein Viertelfinale bei einem Grand-Slam-Turnier.
  • Deutschlands bester Tennisprofi zeigt, dass er physisch einiges zu bieten hat.
  • Mit Maximilian Marterer hat ein weiterer Deutscher die Chance aufs Viertelfinale.

Von Gerald Kleffmann, Paris

Die Pose hatte sich Alexander Zverev verdient. Zuerst hatte er die Hände in den Himmel gereckt, die Augen weit aufgerissen, das Blut muss in Überschallgeschwindigkeit durch die Venen gezischt sein. Dann klopfte er sich mit der Hand auf die Brust, auf jene Stelle, hinter der das Herz schlägt. Schließlich kniete er nieder, und wieder: Hände hoch. Die Zuschauer riefen seinen Namen, es wurde geklatscht, der Court Suzanne Lenglen, das zweitgrößte Stadion bei den French Open, vibrierte vor Emotionen, als herrsche ein Sturm.

Eineinhalb Stunden zuvor hatte Zverev, die Nummer zwei der Setzliste, die Nummer drei der Welt, 21 erst, wie erledigt gewirkt. Er hatte nicht nur in seinem dritten Match in Serie mit 1:2 Sätzen zurückgelegen gegen den ein Jahr älteren Russen Karen Chatschanow. In der zweiten Runde gegen den Serben Dusan Lajovic und in der dritten Runde gegen Damir Dzumhur (der Matchball hatte) aus Bosnien und Herzegowina musste er über die volle Distanz gehen. Zverev agierte fahrig, etwas energielos, außer bei Ausbrüchen.

Achtelfinale der French Open
:Zverev ist der Fünfsatz-König

Welch ein Drama, was für Wendungen: Alexander Zverev liefert sich mit dem Russen Chatschanow erneut ein episches Match - am Ende spielt er sein bestes Tennis.

Zverevs nächster Gegner Dominic Thiem freut sich auf das Duell: "Hoffentlich wird es magisch."

Er fing sich aber, und als er mit 4:6, 7:6 (4), 2:6, 6:3, 6:3 gesiegt und sein erstes Viertelfinale bei einem Grand-Slam-Turnier an diesem Sonntag mit dem nächsten Marathon erreicht hatte, sprach er der früheren Wimbledonsiegerin Marion Bartoli beim Interview ins Mikrofon: "Jetzt zahlt sich alles aus." Er meinte: die Stunden in Krafträumen, auf Laufbändern, immer unter Anleitung seines Fitnesscoaches Jez Green, früher im Dienst von Andy Murray, dem dreimaligen britischen Grand-Slam-Champion. Und immer zusammen mit Mischa, der auf der Tribüne seinen zehn Jahre jüngeren Bruder angefeuert hatte. "Alles kommt langsam zusammen", sagte Zverev.

Der Hamburger, dessen Vater Alexander für die Sowjetunion Davis Cup gespielt hat und der ihn und Mischa trainiert, ist der jüngste Viertelfinalist von Roland Garros seit 2009, als der Argentinier Juan Martin del Potro mit 20 in der Runde der letzten acht stand. Er ist der achte Profi, der je drei Fünfsatzmatches in Paris in Serie gewann. Bedeutsamer aber ist für Zverev, dass er, der ohne ein Viertelfinale bei Grand Slams zur Nummer drei aufstieg und ins Visier überscharfer Kritik geraten war, dieser Debatte eine erste Angriffsfläche entzog.

Sein nächster Gegner ist nun der Österreicher Dominic Thiem, der 24-Jährige aus Wiener Neustadt, in den letzten beiden Jahren jeweils Halbfinalist von Paris, setzte sich dank seiner typischen Topspintreibschläge 6:2, 6:0, 5:7, 6:4 gegen den Japaner Kei Nishikori durch, der ein wenig wie ein Verlierer seiner Generation aussieht. Der so verletzungsanfällige Japaner, lange hoch gehandelt und 2014 im Finale der US Open gewesen, muss erleben, wie ihn die nächste Generation überholt. Zverev und Thiem sind solche Vertreter dieser Jungprofis, und sie sind Kumpels, sie haben auch schon Fotoshootings zusammen absolviert, etwa für ein italienisches Magazin. Für einen Moment wird diese Freundschaft ruhen. Die Vorfreude ist groß.

"Das ist das Match, auf das sich alle gefreut haben. Ich hoffe, dass ich einen körperlichen Vorteil habe", sagte Thiem. "Hoffentlich wird es magisch." An diesem Montag hat noch ein zweiter Deutscher die Chance, das Viertelfinale zu erreichen, wobei diese Chance, prozentual betrachtet, wohl unter einem Prozent liegt. Vielleicht auch unter null Prozent.

Maximilian Marterer, 22, steht das Match seines Lebens bevor. Er muss in Paris, wo Rafael Nadal zehnmal gewann, gegen den Spanier antreten, auf dem Court Philippe-Chatrier, vor 15 000 Zuschauern. "Es spricht nicht viel für mich", sagte Marterer ehrlich, "aber ich werde voll spielen. Ich habe gezeigt, was ich leisten kann." Der Nürnberger ist ein Talent, das binnen eines Jahres seinen größten Entwicklungsschub erlebt hat.

Marterer spielt das gleiche Schlägermodell wie Nadal, die gleiche Saite - und auch mit links

Er ist zwar die Nummer 70 der Welt inzwischen, aber doch im internationalen Tennis noch so unbekannt, dass ausländische Reporter auf deutsche Journalisten zukamen und baten, etwas über diesen "German" zu erfahren. "Er ist bescheiden, fleißig, hört gut zu und ist ein sehr, sehr angenehmer Mensch", das ist das, was sein Trainer Michael Kohlmann der SZ über ihn sagte. Der frühere Profi staunt selber über Marterers Entwicklung, einerseits. Andererseits weiß Kohlmann: Marterer brauchte stets länger, aber dann behauptete er sich dort, wo er angelangt war.

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Maximilian Marterer trifft im Achtelfinale auf die Nummer eins Rafael Nadal - ein neuer Höhepunkt seines stetigen Aufstieges. Andrea Petkovic schafft trotz Niederlage etwas Besonderes.

Von Gerald Kleffmann

Fünfmal hatte Marterer ein Future-Finale auf der untersten Profiebene verloren, ehe im sechsten Versuch ein Titel gelang. 14-mal verlor er ein Erstrundenmatch auf ATP- oder Grand-Slam-Ebene, ehe er im Januar bei den Australian Open diesen Trend stoppte. In Melbourne schaffte er es gleich bis in die dritte Runde. Wie er sich vor seinem außergewöhnlichen Einsatz fühle, wurde er gefragt. Ob er nervös sei. "Ja, sicherlich. Nur habe ich in diesem Jahr schon so viele Matches erlebt, wo ich gesagt habe: Das ist das Match meines Lebens. Es fühlt sich an, als wenn es immer noch mal getoppt wird."

Wie jetzt. Fraglich nur, was nach seinem Achtelfinale noch eine Steigerung sein sollte. Zu Nadal gibt es ja eine spezielle "Querverbindung", wie er es nannte. Nadal ist nicht nur sein Vorbild, 2013 durfte er als Junior in Paris mit ihm trainieren, als Hitting Partner. Er hatte das so gut getan, dass er mehrmals gebucht wurde. Toni Nadal, Rafaels Onkel und lange Trainer, riet Marterer damals noch, körperlich zuzulegen. Das hat er getan. Andere Parallelen: Marterer spielt Nadals Schlägermodell, er verwendet die gleiche Saite, spielt mit links, spielt mit extremem Topspin - wie Nadal. Marterer will in jedem Fall das Match genießen: "Das ist monster, dass ich in der Situation bin, ihn als Gegner zu erleben."

© SZ vom 04.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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