Das Stadion wird voll sein, 60 000 Zuschauer, es gibt nur noch Restkarten. Nichts Neues auf Schalke, aber diesmal wird nach dem Spiel niemand über die immerwährende Krise klagen und keiner muss kulturpessimistisch ausrufen: "Dat is' nich' mehr mein Schalke." Wehmut wird stattdessen herrschen und das immerhin versöhnliche Gefühl, dass Schalke auch im 21. Jahrhundert noch Schalke ist. Denkbar, dass bei dieser nostalgischen Gelegenheit sogar der abtrünnige Sohn Manuel Neuer wieder in die Familie aufgenommen wird - bevor er sich dann eine Woche später wieder Pfiffe anhören muss, wenn er mit dem FC Bayern zum Punktspiel in seiner Heimatstadt vorbeischaut.
Erst mal aber wird Abschied gefeiert in Schalke, Gerald Asamoah, "Asa", wie er überall genannt wird, zelebriert mit vielen Weggefährten den Schlusspunkt seiner Karriere, die zuletzt in Schalkes Regionalligavertretung unauffällig auslief. Unter anderen reisen die emeritierten Helden Marcelo Bordon, Lincoln, Emile Mpenza, Ebbe Sand, Jens Lehmann und Jiri Nemec an; Neuer ließ sich vom Bundestrainer freistellen, der Hoffenheimer Kevin Kuranyi kommt mit seinem Trainer Huub Stevens. Sogar einen Dortmunder Erz-Borussen hat Asamoah eingeladen, aber Sebastian Kehl wird die Fans nicht zwingen, einem Erbfeind applaudieren zu müssen. "Zum Glück ist er auf Weltreise", sagt Asamoah, dann lacht er dieses ansteckende Lachen, das sein unveränderliches Merkmal ist.
"Wenn er zur Tür reinkommt, dann scheint bereits die Sonne" - diesen wegweisenden Satz hat einst Rudi Assauer gesprochen, der Asamoah 1999 aus Hannover holte. Nach einem halben Jahr wollte er eigentlich gleich wieder zurück zu den 96ern, die Konkurrenz schien ihm zu groß zu sein, aber dann kam die Diagnose zu seinem Herzfehler. Assauers Fürsorge und Loyalität ließen nicht zu, dass Asamoah fortlief. Das war Asamoahs Glück. "Ich habe mich in Schalke verliebt, das ist das Beste, was mir im Leben passiert ist", sagt er. Und noch besser war, dass sich die Schalker auch in ihn verliebt haben, in den Fußballer Asamoah, aber ein bisschen mehr womöglich noch in den Menschen Asamoah. So hat er längst seinen Platz im Schalker Pantheon, neben Heiligen wie Szepan, Kuzorra, Libuda und Fischer.
Zwar ist Asamoah erst 37 und bleibt im Verein als Botschafter der guten Sache sowie als Nachwuchstrainer präsent, aber wenn er nun aus der Blüte seiner Fußballerzeit berichtet, dann klingt das oft, als ob er Legenden aus einem vergangenen Jahrhundert erzählt. Man sieht dann den Zigarrenraucher Assauer vor sich, eine mythische Figur zwischen Patron, Tyrann und Übervater. Sonntags nach der Bundesliga kam Assauer regelmäßig in Jogginghose und mit Hund in die Kabine, "das war meistens okay, aber wenn es mal schlecht lief und er dann plötzlich bei uns erschien - oh Gott!" Assauers Autorität war das eine, seine Courage das andere. Ein Jahr nach seiner Ankunft begrüßte Asamoah dann einen neuen Kollegen: den Dortmunder Andreas Möller, für Schalke-Fans eine der meistgehassten Personen auf dem Erdball. "Aber da war ein Manager am Werk, der wirklich drauf geschissen hat", entsinnt sich Asamoah bewundernd.
Das Jahr mit Möller war das vermutlich aufregendste in Asamoahs Karriere. Im Mai 2001 endete es im Tränendrama, und das lag nicht an der "Heulsuse" Möller (der Schmähruf, mit dem dieser große Fußballer provoziert wurde), sondern am Freistoßtor des Bayern-Spielers Andersson in Hamburg. 4:38 Minuten hatten sich Schalke und Asamoah als Champions gefühlt.