3. Liga:Die Last der Vergangenheit

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Nicht zu halten: Würzburgs Marvin Pourié (li.) verliert den Zweikampf mit Verls Damiel Mikic. (Foto: Jan Huebner/Imago)

Bei Würzburgs 0:1 gegen den SC Verl wird klar, dass der Abstieg in die dritte Liga den Kickers immer noch zu schaffen macht. Von einer Elf, die versucht, mit dem Erfahrenen fertigzuwerden.

Von Sebastian Leisgang

Wer ein Gefühl dafür bekommen wollte, was bei den Würzburger Kickers dieser Tage schiefläuft, der musste sich am Montagabend eigentlich nur ein paar Minuten für David Kopacz und Marvin Pourié nehmen. Soeben hatten die Kickers mit 0:1 gegen den SC Verl verloren, jetzt stellte Kopacz am Spielfeldrand seine Trinkflasche auf der Werbebande ab und stemmte die Hände in die Hüfte. Da stand er dann, als sei er zum Rapport bestellt worden und müsse sich jetzt rechtfertigen. So wirkte es jedenfalls für einen Augenblick, doch dann lachte Kopacz. Würzburgs Mittelfeldspieler war anzumerken, dass er erst 22 ist.

Ein paar Minuten später zog sich Pourié einen Pullover über und kam an die Werbebande, an der gerade noch Kopacz gestanden hatte. Pourié fuhr sich einmal durchs Haar, dann setzte er ein ernstes Gesicht auf. Er lachte nicht. Würzburgs neuer Stürmer wollte eine Botschaft loswerden, es war ihm anzumerken, dass er schon 30 ist. Während des Gesprächs hatte Kopacz zwar ein paar Mal gelacht, er hatte die Reporter aber auch wissen lassen: "Die Enttäuschung ist riesengroß." Pourié sagte jetzt: "Frustration ist für mich fehl am Platz, wir sind am zweiten Spieltag."

Schuld kann eine unwahrscheinliche Last sein, Aufmerksamkeit auch. Wenn beides zusammenkommt, braucht es schon ein sehr breites Kreuz, um die Last zu tragen. Kopacz hat kein sehr breites Kreuz. An guten Tagen kann er ein Spiel zwar alleine entscheiden, doch an schlechten schlurft er über den Platz und ist derart mit sich selbst beschäftigt, dass er keinen Mehrwert für die Mannschaft hat. Pourié hat ein breites Kreuz. Aus nächster Nähe wirkt er zwar etwas kleiner als oben von der Tribüne, trotzdem ist er auch mit 1,84 Metern Körpergröße eine Erscheinung.

Als Torsten Ziegner ein paar Minuten nach den Spielerinterviews im Presseraum des Würzburger Dallenbergstadions saß, da gestand der Trainer der Kickers: "Was man bei der Mannschaft schon merkt und was uns als Trainern einiges abfordert, ist das Thema Vertrauen." Ziegner war es ernst, inhaltlich war er deutlich näher bei Pourié als bei Kopacz. Im Laufe der Medienrunde sagte Würzburgs Coach irgendwann, die Leistung sei "ein Schritt nach vorne" gewesen.

Für einen Augenblick klang Ziegner, 43, wie ein Therapeut, denn kurz zuvor war er ja auch auf etwas zu sprechen gekommen, das sehr deutlich machte, wie schwer der Neuanfang unter seiner Führung werden könnte. Ein Großteil seiner Spieler habe eine ziemlich verkorkste Saison hinter sich, hatte Ziegner gesagt: "Man merkt einfach mit jeder misslungenen Situation, dass die Köpfe nach unten gehen." Kurze Pause, dann ergänzte er: "Da müssen wir raus."

"Es zählt jetzt, dass wir erfahrenen Spieler diejenigen sind, die die Jungs führen."

Auch das ist es, was es den Kickers gerade so schwer macht: dass sie zu viele wie Kopacz haben - und zu wenige wie Pourié.

Das ist also das Thema, das die Kickers in den ersten Wochen der neuen Saison begleitet: Bei den Spielern, die nach dem Abstieg aus der zweiten Liga geblieben sind, wirkt die Last der Vergangenheit nach - und die Neuen müssen sich in der Kabine erst noch Gehör verschaffen. "Es zählt jetzt, dass wir erfahrenen Spieler diejenigen sind, die die Jungs führen und ihnen den richtigen Weg weisen." Auch das sagte Pourié, als er am Montagabend an der Werbebande stand.

Im Laufe seiner Karriere ist er schon weit rumgekommen, er hat in Koblenz und in Kopenhagen gespielt, in Braunschweig und in Belgien. Pourié ist also ein fundiertes Urteil zuzutrauen, und wenn er sagt, er habe sich "gewünscht", dass die Mannschaft in den zweiten 45 Minuten gegen Verl "noch energischer und aggressiver" gespielt hätte, dann dürfte er das nur deshalb als Wunsch formuliert haben, weil er noch nicht allzu lange in Würzburg ist.

Dass Pourié die Kickers trotzdem schon nach vorne bringt, deutete er nicht nur beim 0:1 zum Saisonauftakt in München an - er zeigte es auch am Montagabend gegen Verl. Wie gut er der Mannschaft mit seiner Physis und einer gewissen Selbstverständlichkeit in seinem Spiel tut, das war vor allem in der ersten Hälfte zu erkennen.

Als Pourié hinterher noch kurz zur ersten Runde im DFB-Pokal befragt wurde, die Würzburg am Sonntag mit dem SC Freiburg zusammenführt, da meinte er: "Freiburg ist nicht irgendeine Mannschaft, aber ich sage es mal so: Eine Überraschung ist vielleicht drin." Ein Sieg gegen einen Bundesligisten? Etwas verwegen klang das schon. Andererseits: Aus Pouriés Mund klang es glaubwürdiger, als man nach einem 0:1 gegen Verl meinen konnte.

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