3. Liga:1860 spielt zu harmlos auf der falschen Rheinseite

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Durfte wieder in der Startelf mitwirken, blieb diesmal aber glücklos: 1860-Stürmer Sascha Mölders. (Foto: imago)

Beim 0:2 gegen Viktoria Köln bleibt der TSV 1860 ungefährlich - der Rückstand in der Drittliga-Tabelle auf den Relegationsrang beträgt nun fünf Punkte.

Von Philipp Schneider

Wenige Sekunden, bevor sich der TSV 1860 München vermutlich endgültig aus diesem lange Zeit spannenden Aufstiegskampf der dritten Liga verabschiedete, hatte Trainer Michael Köllner gute Laune. Kein Vorwurf, er hatte jedes Recht dazu. Seine Mannschaft war ja mal wieder feldüberlegen, wie es so schön heißt. Köllner schraubte den Deckel seiner Trinkflasche ab, er nahm einen guten Schluck und dann scherzte er so herzlich mit seinem Assistenten auf der Bank, dass ihm fast das Headset von Kopf fiel. Köllner muss den Deckel noch in der Hand gehabt haben, als Albert Bunjaku mit der Routine seiner 36 Jahre eine Flanke in den Winkel schlenzte, die ihn unbedrängt im Löwenstrafraum erreichte.

0:2 verlor Sechzig am Dienstagabend bei Abstiegskandidat Viktoria Köln, nachdem die Mannschaft mal wieder viel Energie in eine Partie investiert hatte. Der Rückstand der Münchner auf die viertplatzierten Würzburger Kickers, die 2:0 gegen Kaiserslautern gewannen, beträgt nun fünf Punkte. Angesichts des anspruchsvollen Restprogramms der Löwen, bedarf es viel Fantasie, um noch an den Aufstieg zu glauben. Aber Köllner hat sie ja zum Glück.

Im Sturm sollte mit Mölders und Prince Owusu Druck aufgebaut werden - es fehlten die Abschlüsse

Er wolle erst einmal abwarten und sehen, wer einen negativen Corona-Test vorweisen würde, erst dann könne er die Aufstellung planen, hatte Köllner vor dem Spiel gesagt. Das war natürlich ein Witz. Kein schlechter, angesichts der Debatte, die es nach dem müden Auftritt beim 0:1 gegen Hansa Rostock darüber gegeben hatte, ob Sascha Mölders, den Köllner 61 Minuten lang auf der Bank hatte sitzen lassen, überhaupt ein Einwechselspieler sei. Nun, warum denn nicht, mag der eine oder andere außerhalb Münchens denken: Feiert nicht auch ein Fußballgott irgendwann mal seinen 35. Geburtstag? Aber bei Sechzig werden Debatten auch darüber geführt, ob die legendären Schinkennudeln der einzigartigen, ehemaligen Löwenstüberlwirtin Christl ein Wettbewerbsvorteil oder -nachteil für sie waren. Köllner jedenfalls debattierte gar nicht erst mit, er stellte Mölders gegen Köln einfach wieder in die Startelf und verkündete, als sei nichts gewesen: "Es ist doch klar, dass Sascha angefressen ist, wenn er nicht spielt. Ich war nach der Niederlage auch angefressen."

Zur Wiedergutmachung stellte er Mölders in einer Doppelspitze sogar Prince Owusu zur Seite, mit dem er sich traditionell abgewechselt hatte auf dem Platz. Und weil hinter ihnen auf den Flügeln Stefan Lex und Efkan Bekiroglu ebenfalls von Beginn an mitwirkten, setzte Köllner angesichts des engen Aufstiegskampfs voll auf Angriff in Köln. Man darf sagen: Sechzig spielte in Bestbesetzung. Zweimal nacheinander war Köllners Plan gewesen, das Spiel zu gewinnen, indem er Spitzenkräfte zu Beginn schonte. Gegen Uerdingen ging das gut, gegen Rostock nicht. Nun schickte er alle auf einmal aufs Feld.

Als wären sie alle angefressen, attackierten Köllners Löwen die Kölner schon wenige Meter vor deren Strafraum. Den Gastgebern gelang es erstmals nach zehn Minuten, dass sie sich in die generische Hälfte passten. Die Münchner, die um Kristian Böhnlein kreisten, der im Zentrum viel Ruhe ausstrahlte, waren zwar sehr präsent, balldominant und vor allem beflissen. Doch außer einem Schuss von Stefan Lex, der über die Latte flog, führte ihr Engagement zunächst nicht zu Gefahr. Beste Gelegenheit der Münchner war nach einer halben Stunde ein präziser Pass von Tim Rieder in die Spitze, den Owusu allerdings neben den Pfosten leitete. Im Gegenzug hatten die Kölner die beste Chance der ersten Halbzeit: Einmal spielten sie schnell nach vorne, schon kam Mike Wunderlich im Fünfmeterraum an den Ball. Dass er ihn nicht einnetzte, war nur einem starken Reflex von Torwart Marco Hiller zu verdanken. Die Partie wogte nun hin und her, die Kölner zeigten sich häufiger in der gegnerischen Hälfte.

Mölders übersah den mitgelaufenen Owusu - er schoss den Torwart an

Nach der Pause brachte Köllner den jungen Leon Klassen für Böhnlein. Und Klassen fiel gleich nach Wiederanpfiff eine präzise Flanke von Marius Willsch auf den Fuß - doch er schickte den Ball aus wenigen Metern Torentfernung so hoch hinaus, als wollte er ihn von der "Schälsick", der falschen Seite des Rheins, auf die linke schießen, wo der Dom zu finden ist. Doch die Löwen wurden nicht müde. Einen Schuss von Mölders, der den mitgelaufenen Owusu übersah, entschärfte Kölns Torwart Mesenhöler mit beiden Füßen zugleich. Und dann, im Gegenzug, traf Bunjaku (56.).

Noch war Zeit, noch konnte Köllner wechseln. Er brachte Nico Karger für Dennis Erdmann, Aaron Berzel für Phillipp Steinhart - und auch noch Timo Gebhart für Owusu. Sechzig stürmte an mit Wucht, die Kölner verteidigten mit noch mehr Leidenschaft. Und Wucht schafft Räume. Sogar für ein gefühlvolles Tor, wie es in der dritten Liga selten zu erleben ist: Der Kölner Kevin Holzweiler lupfte den Ball von der Strafraumgrenze über Hiller hinweg, der das so nicht verdient hatte (81.).

© SZ vom 17.06.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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