Würzburger Kickers:Leiser Leitwolf

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Albion Vrenezi. (Foto: Roland Krivec/DeFodi/imago)

Beim Wiederaufbau des sich im Umbruch befindlichen Fußball-Drittligisten spielt die Leihgabe von Jahn Regensburg, Albion Vrenezi, eine tragende Rolle. Mit 25 ist er der Älteste im Kader und soll Vorbild sein - obwohl er selbst noch nicht lange Profi ist.

Von Sebastian Leisgang

Albion Vrenezi erinnert sich noch an diesen Lauf um den Feringasee, der ja nicht bloß ein Lauf war. Vrenezi war angefixt, er wollte es wissen, und vor allem wollte er es seinem Trainer zeigen. Also rannte er los, einmal außen herum, bis zu jenem Punkt, an dem er losgesprintet war. Keine drei Minuten waren zwischen Start und Stopp vergangen, und als ihn sein Trainer Andreas Pummer anstachelte, er schaffe das kein zweites Mal, da rannte Vrenezi noch einmal los, außen herum, bis zu jenem Punkt, an dem er losgesprintet war. Wieder waren keine drei Minuten vergangen. Vrenezi hatte es geschafft, und der Lauf war jetzt: Beleg seiner Mentalität, Zeichen seiner Disziplin, Ausdruck von Ehrgeiz.

Ein paar Jahre später sitzt Vrenezi, 25, schwarzes Shirt, grüne Shorts, auf der Haupttribüne des Stadions am Dallenberg und schaut aufs Spielfeld. Wenn es so kommt, wie er sich das vorstellt, wird er in den nächsten Monaten nicht mehr so häufig hier oben in dieser Plastikschale sitzen - sondern da unten auf dem Rasen stehen.

Der Feringasee ist sehr weit weg an diesem warmen Julimittag in Würzburg, doch die Geschichte, die am Feringasee spielt und die Vrenezi jetzt erzählt, schafft Nähe. Sie sagt eine Menge aus, über den Fußballer Vrenezi - und vielleicht sogar über den Menschen.

Die Würzburger Kickers haben mal wieder einen Umbruch vollzogen. Mehr als zehn Spieler sind gegangen, mehr als zehn gekommen. Der Klub hat seine U-23-Reserve vor ein paar Wochen zwar zurückgezogen, doch die Neuen sind derart jung, dass die Kickers nun selbst eine Art U 23 sind. Für diese neuformierte Mannschaft beginnt die Saison in der dritten Liga schon diesen Samstag gegen den FC Bayern II, doch Trainer Michael Schiele arbeitet noch an jenem Wiederaufbau, bei dem Vrenezi eine Schlüsselrolle zukommen dürfte. Die Leihgabe des Zweitligisten Jahn Regensburg ist der Älteste der Neuen, er soll den Jungen ein Beispiel sein, obwohl er selbst noch gar nicht so lange professionell Fußball spielt. Er soll vorangehen, obwohl er eigentlich kein Anführer ist. Und das ist es ja auch, was Vrenezi besonders macht: dass er Gegensätze zusammenführt.

Er, der feingliedrige Techniker, der den Fußball an guten Tagen zu einer Kunstform erheben kann, rennt sich am Feringasee die Lunge aus dem Leib, um es seinem Trainer zu zeigen. Er, der Unterschiedsspieler, der natürlich die Zehn auf dem Rücken trägt und für die besonderen Momente zuständig ist, soll das Team gemeinsam mit Spielern wie Sebastian Schuppan und Daniel Hägele auch noch anführen - obwohl er eher Lightwolf als Leitwolf ist.

Vrenezi spricht sehr leise auf der Würzburger Tribüne, beinahe auf Friedhofslautstärke. Was er aber sagt, das kommt an. Was also ist nach dem umfassenden Umbruch in der bevorstehenden Saison von den Kickers zu erwarten? Vrenezi sagt: "Wir gehören zu den besseren Mannschaften. Mit uns ist zu rechnen." Wie sieht es mit persönlichen Zielen aus? "Mein Ziel ist es, irgendwann mal in der Bundesliga zu spielen. Ich setze meine Ziele gerne ein bisschen höher, um einen Reiz zu schaffen, an mir zu arbeiten." Ist es Vor- oder Nachteil, nie in einem Nachwuchsleistungszentrum gewesen zu sein? "Beides. In einem NLZ wirst du taktisch sehr gut ausgebildet - das führt aber auch dazu, dass sich viele Spieler ähnlich sind." Er, und das will Vrenezi damit sagen, ist den anderen nicht ähnlich. Er ist anders.

Und vielleicht ist es ja tatsächlich auch das, was ihn ausmacht: dass nie eine Schablone über ihn gestülpt worden ist. Vor etwas mehr als vier Jahren hat er noch für den FC Unterföhring gespielt, zuvor ausschließlich für den SV Planegg-Krailling. Auch die Erfahrungen in diesen Vereinen sind es, die Vrenezis Weg zu den Kickers pflastern. Erst 2015 ist er in der Regionalliga angekommen - bei der Reserve des FC Augsburg. Nach zwei Spielzeiten klopfte schließlich der SV Sandhausen an, wollte ihn allerdings in die dritte Liga verleihen. Deshalb zog es ihn letztlich doch zu Jahn Regensburg in die zweite Bundesliga. Weil er bei den Oberpfälzern in der vergangenen Saison aber nicht gerade eine Schlüsselrolle eingenommen hat, soll er nun in Würzburg eine etwas kleinere Bühne besteigen - und dort im Rampenlicht stehen. Das ist der Plan.

Angekommen ist Vrenezi schon: Drei Tore hat er in den Testspielen erzielt, darunter eines beim 4:2 gegen den Zweitligisten SV Wehen Wiesbaden. Auch das Aufnahmeritual hat er hinter sich gebracht: ein Lied vor der Mannschaft zu singen. "Ich habe aber versucht, leise zu singen, damit man meine Stimme nicht raushört", sagt Vrenezi, "Singen ist gar nicht meins." Fußballspielen sehr wohl - wo er sogar Gegensätze zusammenführt.

© SZ vom 15.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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