Handball-WM:Verflixte drei Sekunden

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  • Bei der Handball-WM reicht es für das deutsche Team gegen Frankreich nicht zum Sieg.
  • Die Franzosen kommen in letzter Sekunde zum Ausgleich - dabei war Deutschland lange einen Tick besser als der Weltmeister.

Von Joachim Mölter, Berlin

Drei Sekunden fehlten den deutschen Handballern noch, drei Sekunden nur. Die Uhr auf dem großen Videowürfel unter dem Hallendach zeigte eine Führung für sie an, 25:24, sowie 59:57 gespielte Minuten in der WM-Partie gegen Frankreich. Das Team des Titelverteidigers bekam noch einen Freiwurf zugesprochen, und allen in der mit 13500 Zuschauern erneut vollbesetzten Mercedes-Benz-Arena von Berlin war klar, was passieren würde: Die deutschen Verteidiger rückten eng zusammen, um keinen Durchschlupf zu gewähren; die französischen Angreifer bildeten ebenfalls eine Mauer, hinter der sie genug Platz schaffen wollten für einen ihrer zwei Rückraumwerfer, die sich in Position gebracht hatten.

Es war dann der Halblinke Timothey N'Guessan, der den Ball bekam, hochsprang, warf. Der Ball rauschte am deutschen Torwart Andreas Wolff vorbei und zappelte im Netz. Der Ausgleich zum 25:25 (12:10) im Spitzenspiel zwischen den weiterhin unbesiegten Mannschaften der Gruppe A.

Die deutschen Spieler trotteten traurig vom Spielfeld, aber bei weitem nicht so niedergeschlagen wie am Abend zuvor, als sie sich von Russland ebenfalls mit einem Unentschieden getrennt hatten (22:22). "Das fühlt sich an wie eine Niederlage", hatte Kapitän Uwe Gensheimer in der ersten Enttäuschung gesagt. Aber die Brasilianer hatten den Faux pas der Deutschen ja bereits am Dienstagnachmittag ausgebügelt mit ihrem Erfolg über die Russen.

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Die Ausgangsposition des Teams von Bundestrainer Christian Prokop hat sich jedenfalls nicht verschlechtert, im Gegenteil: Egal, wie die abschließende Vorrundenpartie gegen Serbien am Donnerstag (18.15 Uhr/ARD) endet, ist sie bereits für die Hauptrunde in Köln qualifiziert. Und sie nimmt die drei gewonnenen Punkte aus den Partien gegen Brasilien (34:21) und nun eben Frankreich mit.

Die nach dem Russland-Spiel zwischenzeitlich verzwickte Lage der deutschen Handballer hatte sich schon vor dem Vergleich mit den Franzosen entspannt. Denn die hatten auf einen Einsatz des dreimaligen Welthandballers Nikola Karabatic verzichtet. Der 34-Jährige trainiert nach einer Fußoperation erst seit kurzem wieder, ist aber von Nationaltrainer Didier Dinart am Wochenende schon mal zur Mannschaft geholt worden; jedes Team darf während des Turniers ja dreimal wechseln. Gegen Deutschland auf Karabatic zurückzugreifen, hielten die Franzosen noch nicht für nötig, sie wollen ihn offensichtlich in der Hinterhand behalten für wichtigere Spiele. Vielleicht wollte Trainer Dinart sein verjüngtes Team auch schon auf den Ernstfall in nicht allzu ferner Zukunft vorbereiten: "Wir werden irgendwann mal ohne ihn auskommen müssen."

"Für ein erfolgreiches Turnier muss man über die Abwehr kommen", fand der deutsche Kreisläufer Jannik Kohlbacher: "Das ist der Grundstein, den wir brauchen." Und den legten er und seine Mitspieler in den ersten 30 Minuten. Dass die dominanten Franzosen, immerhin viermal Weltmeister in den vergangenen fünf Turnieren, in einem WM-Spiel mal nur zehn Tore in einer Halbzeit erzielen, ist lange her, noch länger als ihre letzte Niederlage bei einer WM. Die datiert aus dem Jahr 2013, als sie beim Turnier in Spanien das Viertelfinale 23:30 gegen Kroatien verloren.

Danach folgten bis zum Dienstag 20 Siege und ein Unentschieden; das letzte Team, das bei einer WM gegen Frankreich punktete, war Island gewesen, in der Vorrunde von Katar 2015 (26:26). Die Punkteteilung ist also durchaus ein Achtungserfolg für die DHB-Auswahl, das betonte auch Bundestrainer Prokop: "Wir haben gefightet um jeden Zentimeter, wir haben als Team zusammengestanden, wir haben Stresssituationen gemeistert und wir sind überglücklich, dass wir dem Weltmeister einen Punkt abluchsen konnten", sagte er. "Wir nehmen viel Selbstvertrauen mit. Irgendwann werden wir uns belohnen."

Bester deutscher Werfer war ein weiteres Mal Kapitän Uwe Gensheimer, diesmal ebenso wie Fabian Wiede und Martin Strobel mit vier Treffern. Für Gensheimer war das Duell mit Frankreich ein besonderes Spiel, er ist ja bei Paris Saint-Germain unter Vertrag. Und in diesen WM-Tagen hat er erzählt, was er am meisten von seinen französischen Kollegen gelernt hat: "In kritischen Situationen im Spiel gelassener zu sein. Das ist eine Stärke der Franzosen, weil sie schon tausend Mal in solchen Situationen waren. Cool zu bleiben, wenn es einen engen Spielstand gibt und den eigenen Stärken zu vertrauen."

Diese Stärke demonstrierten die Franzosen auch am Dienstag. Sie überstanden in der zweiten Halbzeit eine Phase, in der sie dreieinhalb Minuten in Unterzahl agieren mussten, ohne größeren Schaden, sie kassierten in dieser Zeit nur einen Gegentreffer. Auch in der Schlussphase behielten sie kühlen Kopf, ein Zwei-Tore-Rückstand in der 57. Minute (23:25) brachte sie ebenso wenig aus der Ruhe wie eine Zeitstrafe. Wie am Tag zuvor gegen die Russen schaffte es die DHB-Auswahl nicht, ihre Führung über die Zeit zu bringen; dass sie diesmal näher dran gewesen ist, den Murmerltiermoment zu verhindern, ist auch kein wirklicher Trost: Die Russen erzielten den Ausgleich sieben Sekunden vor dem Ende.

© SZ vom 16.1.19 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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