1860 verliert drittes Spiel in Folge:Münchner Telefonzellen in Rostock

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Nach einer schwachen Leistung verliert 1860 München beim FC Hansa Rostock mit 0:2. Die Debatte um Trainer Reiner Maurer dürfte jetzt Fahrt aufnehmen. In Rostock patzte ausgerechnet jener Profi, der in den vergangenen Monaten oft gegen den Trainer gestichelt hatte.

Am Schluss haben sie noch einmal vieles versucht, sogar Daniel Bierofka, offensiv so gefährlich wie ein Reh, schaltete sich bei Angriffen ein, doch eisern tickten die Sekunden dahin, Minute um Minute verstrich, und so steuerte die Partie unerbittlich dem Abpfiff entgegen.

Nur Statist: 1860-Torwart Gabor Kiraly (in Gelb) hatte beim Kopfball von Rostocks Dominic Peitz kaum eingegriffen. Die Folge war das 1:0 für Rostock. (Foto: dpa)

Um 19.49 Uhr am Freitag war sie dann perfekt, die dritte Niederlage des TSV 1860 München hintereinander, und wer sich manche kürzlich geäußerte Äußerung des Löwen-Geschäftsführers Robert Schäfer in Erinnerung ruft ("Es ist viel zu früh, um irgendwelche Personen in Frage zu stellen"), ahnt, dass es für die intern gestellte T-Frage wohl nicht mehr allzu früh ist beim bayerischen Zweitligisten.

Das nackte Ergebnis von 0:2 (0:1) bei dem bis dahin sieglosen FC Hansa Rostock bietet jedenfalls Futter genug für die Kritiker des 1860-Trainers Reiner Maurer, da dürfte es auch keine Rolle spielen, dass es entlastende Argumente für seine Arbeit gibt.

Nach dem Spiel wurde Maurer bereits von einem Fernsehreporter gefragt, womit er in München jetzt rechne, der Trainer blieb äußerlich cool wie immer. "Ich muss meine Arbeit weitermachen, alles andere kann ich nicht beeinflussen", sagte er, verwies aber auch darauf, dass die extrem schwankende Debattenkultur um die Mannschaft an ebendieser nagt. "Für die jungen Spieler ist es schwierig in dem Umfeld - wenn wir gewinnen, ist alles super, wenn wir verlieren, alles schlecht. Man hat im Training gemerkt, dass das Wirkung gezeigt hat."

Obwohl 1860 kürzlich fast pleite war, hat sich an diesem Münchner Phänomen nichts geändert. Der Trainer wird es vornehmlich zu spüren bekommen. Dabei wurde der im Frühling darniederliegende TSV ja erst so spät durch die Millionen-Zahlung des Investors Hasan Ismaik gerettet, dass der Kader erst unmittelbar vor Beginn der Saison festgezurrt werden konnte.

Kostspielige, sehr gute Verstärkungen gab es keine, dementsprechend wurde eine Konsolidierungssaison eingeläutet. Die beste Startelf, die Sechzig hat, ist eine gute, was sie schon bewies, doch zuletzt verletzten sich Profis oder kassierten Sperren, so dass Maurer oft umbauen musste. In Rostock lief im elften Saisonspiel bezeichnenderweise die neunte Abwehrformation auf. Weil Stefan Buck und Kai Bülow gesperrt fehlten, rückte Collin Benjamin in die Innenverteidigung neben Christopher Schindler. Arne Feick durfte sich mal wieder links hinten probieren, wie auch Stürmer Djordje Rakic, der überraschend für den kurzfristig ausgefallenen Stefan Aigner (Hexenschuss) aufgestellt wurde. Die Marschrichtung war damit vorgegeben, 1860 wollte sich nicht verstecken, sondern angreifen.

Die Sechziger agierten so, als wären sie zu Hause, immer wieder luchsten sie den Hansa-Spielern den Ball ab. Die erste gute Chance hatte allerdings Rostock in der 17. Minute, als Marcel Schied 1860-Torwart Gabor Kiraly per Kopfball prüfte. Drei Minuten später hätte Löwen-Stürmer Benjamin Lauth das 1:0 machen müssen, alleine lief er auf den Torwart zu, doch Kevin Müller hielt. Auch Rakic und Kevin Volland scheiterten mit ihren Nachschüssen. "Wenn man die Chancen auslässt, nagt das am Selbstvertrauen", analysierte Maurer und kam zu dem richtigen Fazit: "Wir haben das Spiel in den ersten 30 Minuten verloren, weil wir die guten Chancen nicht nutzten."

Denn schon bald hatte sich das Auslassen dieser drei Großchancen gerächt, in der 40. Minute erzielte Dominic Peitz, Leihgabe vom FC Augsburg, das 1:0 für Hansa. Benjamin hatte einen Schuss von Mohammed Lartey zur Ecke abgefälscht, diesen Eckball zirkelte Lartey auf den Kopf von Peitz, der den in diesem Moment viel zu spät herauskommenden Kiraly überlistete.

Auch Rakic, der sich direkt neben Peitz aufhielt, stand so sinnlos in der Gegend herum wie eine ausrangierte Telefonzelle. Es wäre eine bizarre Note, sollte Maurer entlassen werden, dass in Rakic ausgerechnet jener Profi patzte, der in den vergangenen Monaten oft gegen den Trainer gestichelt hatte, weil er nicht spielen durfte (und Maurer ihn ja zudem loswerden wollte).

Das Problem freilich ist insbesondere, dass 1860 zwar gute Offensivspieler hat, die hin und wieder glänzen - die Lauths, Halfars, Vollands und Rakics aber gehören nicht zur Spezies jener, die - wenn die eigene Mannschaft unter Druck gerät - nach hinten entlastend mitarbeiten und verteidigen. Und die Qualität der Abwehrspieler ist eine Sache für sich. Es ist immer wieder auffallend, wie schnell engagierte Gegner die Angriffs- und Mittelfeldzone der Sechziger überbrücken.

In der zweiten Halbzeit bot sich wieder dieses Bild, vereinzelt blitzte Torgefahr etwa von Lauth auf, doch ein leidenschaftlicher Einsatz von Hansa reichte, um die Führung zu sichern. Zu allem Überfluss musste in der 63. Minute TSV-Mittelfeldmann Dominik Stahl verletzt das Feld verlassen, in der Folge entwickelte sich gar ein Auswechseldurcheinander. Volland, der runter sollte, bekam offenbar nichts mit, und während sich die Löwen sortierten, schaffte Kevin Pannewitz fast das 2:0 - das dann in der 74. Minute fiel.

Lartey trat einen Freistoß, der Ball flog gemütlich dahin, was keinen der Löwen zu interessieren schien, und so setzte Matthias Holst (der, der sich wochenlang nicht rasiert hatte, weil er nicht spielte) zum Kopfball an und nickte ein. "Dass wir beide Tore bei Standards kassierten, ist bezeichnend", sagte Maurer, "die Absprachen stimmten nicht, und es fehlten die Kopfballspieler." Ob solche Argumente jetzt noch zählen?

© SZ vom 15.10.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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