1. FC Nürnberg:Sieger für eine Stunde

Lesezeit: 3 min

Torwart und Kopfballungeheuer in Personalunion: Regensburgs Alexander Meyer. (Foto: Sebastian Widmann/Getty Images)

Wieder ein später Rückschlag: Der FCN ist gegen Regensburg die bessere Mannschaft, bleibt aber nach dem 1:1 der Zweitligist, der nach einer Führung die meisten Punkte abgibt.

Von Johannes Kirchmeier

Plötzlich stand da am Sonntag ein Torwart im gelben Trikot im Strafraum des 1. FC Nürnberg beim Zweitliga-Derby gegen den SSV Jahn Regensburg, der den Sechzehnmeterraum vollends im Griff hatte. Jeder Ball, der hineinflog, landete bei ihm - nur dummerweise hatte der Nürnberger Schlussmann Andreas Lukse ein blaues Trikot. Alexander Meyer, in Personalunion Torwart des Jahn und ein sogenanntes "Kopfballungeheuer", wie ihn sein Mitspieler Jan-Marc Schneider nannte, sorgte kurz vor dem Ende der Partie für Gefahr. So sehr, dass er nach der ersten Jahn-Ecke mit seinem Abschluss eine zweite herausholte. Bei dieser köpfelte er den Ball Schneider vor die Füße. "Ich musste den Ball nur noch über die Linie schieben", sagte der Angreifer.

In der Nachspielzeit traf der Jahn zum 1:1 (0:1) beim regionalen Rivalen. Jahn-Trainer Mersad Selimbegovic lächelte, als er sagte: "Diese zweite Bundesliga ist etwas Besonderes, das wir jede Woche erleben dürfen. Unser später Ausgleich fühlt sich wie ein Sieg an." Traurig waren dagegen die Gastgeber, die nach dem 3:4 in letzter Minute beim FC Erzgebirge Aue erneut einen späten Rückschlag hinnehmen mussten. Der Club vergibt nach einer Führung die meisten Punkte in der Liga, die direkten Aufstiegsplätze sind schon acht Punkte weg - und das obwohl der FCN gegen den Jahn 60 Minuten wie der sichere Sieger aussah. "Wir stehen zu tief, spielen nicht mehr Fußball und halten den Gegner am Leben", sagte Mittelfeldspieler Lukas Jäger: "Das war heute nicht das erste Mal so, das müssen wir dringend abstellen."

Sein Team schaffte in dieser Saison auch erst einen Heimsieg. Daher sollte es gegen den Jahn erst recht klappen, gegen den Klub, dessen Einzugsgebiet sich mit dem der Nürnberger überschneidet. Rund 35 000 Zuschauer waren am Sonntag da, knapp ein Zehntel davon Fans der Regensburger. In etwa so sieht's auch bei der Strahlkraft der beiden Klubs über die eigene Stadtgrenze hinaus aus. Doch in der Ligatabelle steht der kleine, aber aufbegehrende Jahn da, wo Nürnberg gerne stehen möchte. Er ist aktuell der beste Klub Bayerns als Sechster. Die Nürnberger dagegen haben als Achter bereits 19 Gegentore in elf Spielen kassiert. Zwei gebürtige Ostbayern, Lukas Mühl und Patrick Erras, ersetzten passend zum Derby die ausgefallenen Innenverteidiger Asger Sörensen (Rotsperre) und Georg Margreitter (Zerrung) und machten ihre Sache lange sehr gut. Wie ohnehin das gesamte Team, das durch Robin Hack die erste große Chance hatte - nach einer Flanke von Nikola Dovedan, die er sich im Fünfmeterraum noch stoppen konnte. Doch von dort aus schluderte Hack den Ball neben das Tor (14.). Kurz darauf hätte Lukas Jäger per 18-Meter-Schuss fast das 1:0 erzielt - wenn sich nicht Chima Okoroji in den Weg geworfen hätte (25.).

Der Jahn spielte wie gewohnt: mit ganz viel Lust aufs Kontern. Es dauerte eine Zeit, bis er die Räume dafür bekam. Nach 28 Minuten flankte Okoroji aus dem Halbfeld - und Stolze köpfelte den Ball sehenswert an die Latte. Ansonsten war aber der Club, sozusagen der rote Riese im Einzugsgebiet, deutlich stärker auf dem Platz. Was sich dann vor der Pause beim Spielstand manifestierte: Johannes Geis, der Mann für die gefährlichen Freistöße, flankte einen solchen in den Strafraum, Hanno Behrens befreite sich mit gerade so legalen Mitteln von seinem Gegenspieler Max Besuschkow und köpfelte den Ball ins rechte Eck (38.).

Doch die Nürnberger erhöhten ihre Führung trotz mehrerer Möglichkeiten nicht - und so machte sich bei ihnen "Verunsicherung" breit, wie Lukse im Tor merkte. Dummerweise stand dem FCN ein Team gegenüber, das nach Rückständen ganz gerne so gut zurück ins Spiel kommt wie kein anderes der Liga. Der Regensburger nennen sich daher selbst "Mentalitätsmonster", auch wenn aufgrund der aktuellen Diskussion die Wissenschaft noch abklären muss, welchen Ausschlag "Mentalität" im Fußball gibt.

Trotzdem jubelte der Jahn bereits nach einer Stunde kurz über den Ausgleich: Der bis September in Nürnberg angestellte Federico Palacios stand vor seiner Vorlage für Stolze aber im Abseits (58.). Ähnliches Künstlerpech hatte der für ihn eingewechselte Schneider: Erst parierte Lukse seinen Kopfball (71.), dann schoss Schneider den Ball nach einem starken Solo neben das Tor (85.), ehe wieder Lukse stark abwehrte (88.). Aber zum Schluss kam ja von ganz hinten Hilfe für ihn - in Form eines Kopfballungeheuers. "Wir haben nicht gewusst, dass man den Torwart mit nach vorne schicken muss, dass man sein erstes Standardtor der Saison macht", sagte Selimbegovic. Er grinste noch immer.

© SZ vom 28.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: