1. FC Nürnberg:Rückkehr der Spaßspieler

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Spieler für „sensationelle Tage“: Robin Hack erzielt gegen staunende Wiesbadener das 1:0, sein erstes von drei Toren. (Foto: Daniel Marr/Sportfoto Zink/Imago)

Zumindest der direkte Abstieg ist für den Club unwahrscheinlich geworden.

Von Sebastian Fischer

Wenn man Robin Hack richtig verstand, dann war die Lösung für das größte Problem in der jüngeren Vereinsgeschichte des 1. FC Nürnberg einfach ein bisschen mehr Spaß. Hack stand am Dienstagabend im Stadion in Wiesbaden vor dem Sky-Mikrofon, als dreimaliger Torschütze war er der logische Gesprächspartner, der erklären sollte, wie das funktioniert: dass Nürnberg eine enttäuschende, von Harmlosigkeit vor dem gegnerischen Tor gekennzeichnete Saison spielt, als Bundesliga-Absteiger tief in den Zweitliga-Abstiegskampf gerät, nach der Corona-Pause sechs Spiele lang nicht gewinnt, dabei nur vier Tore schießt, von denen zwei Eigentore sind - und dann in einer Art Endspiel den Tabellensiebzehnten 6:0 schlägt.

"Wir haben versucht, uns den Druck etwas zu nehmen, locker aufs Spielfeld zu gehen, Spaß zu haben", sagte also Hack. "Das hatte gefehlt in den letzten Wochen. Heute hat man gesehen, dass wir Spaß hatten und Bock zu zocken."

Es ist auch zwei Spiele vor Ende dieser Saison noch nicht klar, ob der 1. FC Nürnberg in der kommenden Saison weiterhin in der zweiten Liga antritt. Doch der Sieg beim SV Wehen Wiesbaden hat es zumindest sehr unwahrscheinlich gemacht, dass die Spielzeit mit dem schlechtmöglichsten Szenario endet und der Club ohne Relegationsspiele direkt in die dritte Liga absteigt. Der Vorsprung auf Rang 17 beträgt fünf Punkte. Das 6:0 hat zudem nicht zuletzt wegen des besseren Torverhältnisses die Ausgangsposition verbessert, auch Platz 16 und die Relegation zu vermeiden. Und das Spiel hat daran erinnert, dass es eigentlich ganz andere Ambitionen sind, die sie beim Club verfolgen wollen.

"Wir müssen so weitermachen, Vollgas geben, kein bisschen nachlassen", sagt Robin Hack

Er sei "klar erleichtert", sagte Jens Keller, der Mannschaft tue der Sieg nach schwierigen Wochen "unheimlich gut". Der Trainer hatte so aufgestellt, dass es eigentlich die Eindrücke der vergangenen Wochen konterkarierte. Es begannen Mittelfeldspieler Johannes Geis, Flügelangreifer Nikola Dovedan und Stoßstürmer Michael Frey, die zuletzt wegen Formschwäche auf der Bank gesessen hatten und damit ein Dilemma symbolisierten: Geis, der mal beim FC Sevilla spielte, Dovedan, der aus Heidenheim als Wunschtransfer des im Herbst entlassenen Trainers Damir Canadi kam und Frey, vorher Fenerbahce Istanbul - sie stehen als drei von 16 Zugängen für einen Kader, der sich gut liest, aber oft kein funktionierendes Team ergab.

Nun, in Wiesbaden, bereitete Geis drei Tore vor, Dovedan eins. Und Frey spielte zwar glücklos, was man als Stürmer bei einem 6:0 auch erst mal hinkriegen muss, aber auch er lieferte eine Vorlage. Zwei Tore schoss zudem Verteidiger Asger Sörensen, den Keller für den angeschlagenen Dinos Mavropanos aufgestellt hatte.

"Wir haben viel Scheiße fressen müssen diese Saison - und irgendwann reicht's dann auch mal", so drückte es Hack aus. "Wir haben uns als Team gut zusammengerauft." Noch mehr als alle anderen steht der U21-Nationalspieler für individuelle Qualität im Kader, mit nun zehn Toren ist er bester Torschütze. Doch auch Hack hatte lange nicht mehr getroffen, in neun Spielen in Serie. Um ihm zu mehr Einfluss zu verhelfen, hatte Trainer Keller ihn zuletzt offensiv in der Mitte aufgestellt. Am Dienstag lief er wieder auf seiner Stammposition auf dem Flügel auf. Beim 1:0 nach sieben Minuten zeigte er seine für die Liga überragenden technischen Fertigkeiten, nahm den Ball in der Drehung an und schoss ihn mit der nächsten Berührung in die Ecke. "Robin hat sein Gesicht wieder gezeigt, was er vor der Corona-Krise hatte", sagte Keller. Hack sei "ein Spaßspieler. Er kann sensationelle Tage haben."

Zwei Spiele bleiben noch, gegen den VfB Stuttgart am Sonntag und in der Woche danach bei Holstein Kiel. Beide Gegner dürften in der Abwehr weitaus besser organisiert sein als die eher konfusen Wiesbadener. Und selbst der Tabellensiebzehnte hatte Mitte der ersten Hälfte ein paar gute Ausgleichschancen. "Wir müssen so weitermachen, Vollgas geben, kein bisschen nachlassen", sagte Hack.

Wie es mit ihm selbst weitergeht, ob die TSG Hoffenheim, die er im Sommer 2019 verließ, zum Beispiel ihre Rückkaufoption zieht und er zustimmt, darüber werde er erst in zwei Wochen sprechen, sagte er. Dann, wenn auch die Verantwortlichen in Nürnberg darüber sprechen müssen, wie es mit dieser Mannschaft weitergeht, die offensichtlich fantastische Tage haben kann, aber alles andere als eine fantastische Saison spielt.

© SZ vom 18.06.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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