1. FC Nürnberg:Gespräche mit dem Frankenversteher

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Gute, alte Zeiten: Dieter Hecking bejubelt während der Saison 2010/2011 einen Auswärtssieg als Nürnberger Trainer zwischen den Profis Javier Pinola (links) und Marek Mintal. (Foto: imago sportfotodienst)

Nachdem der 1. FC Nürnberg die Trennung vom glücklosen Sportvorstand Robert Palikuca verkündet, wird bekannt, dass der frühere Club-Trainer Dieter Hecking den Job gerne übernehmen würde. Die Verhandlungen sollen schon vielversprechend weit fortgeschritten sein.

Von Sebastian Fischer

Es war ein Samstagmorgen, als Dieter Hecking nach zwei schlaflosen Nächten dachte: "Dieter, jetzt musst du auch mal an dich denken."So hat er es später erzählt, es war keine gute Nachricht für den 1. FC Nürnberg. Denn als der Trainer Hecking damals an sich dachte, hatte er den Entschluss gefasst, Mittelfranken kurz vor Heiligabend 2012 nach drei erfolgreichen Jahren zu verlassen und Trainer des VfL Wolfsburg zu werden.

Als Hecking, 55, der Ende Juli noch als Trainer des Hamburger SV den Aufstieg in die Fußball-Bundesliga verpasste, in der vergangenen Woche dem FCN in der Relegation zusah, fragte er sich wahrscheinlich wie die meisten Fernsehzuschauer auch, was um Himmelswillen die Nürnberger beim FC Ingolstadt veranstalteten, als sie den 2:0-Vorsprung aus dem Hinspiel innerhalb weniger Minuten verspielten, um mit dem Tor zum 1:3 in der sechsten Minute der Nachspielzeit doch noch den Verbleib in der zweiten Bundesliga zu sichern.

Doch dann dachte Hecking offenbar auch wieder ein wenig an sich, diesmal allerdings in Verbindung mit dem FCN - und mit einem neuen Plan für seine Karriere. Wie Bild am Mittwoch zuerst berichtete, ist er ein Kandidat als neuer Nürnberger Sportvorstand. Auch nach SZ-Informationen hat es darüber zwischen Hecking und dem FCN vielversprechende Telefonate gegeben. Hecking könnte sich die neue Aufgabe am Schreibtisch statt auf dem Trainingsplatz in Nürnberg gut vorstellen.

Am Dienstag hatte der Club die Trennung vom Sportvorstand Robert Palikuca bekanntgegeben, der in dieser Saison die Entlassungen der Trainer Damir Canadi und Jens Keller sowie die Zusammenstellung jenes Kaders verantwortet hatte, der die Saisonziele weit verfehlte. Bis Ende Juli arbeitet Palikuca allerdings noch weiter, um bereits geplante Transfers abzuschließen, wie er erklärte. Bis spätestens 3. August soll der Nachfolger gefunden sein, sagte Aufsichtsratschef Thomas Grethlein und gab zu: "Natürlich ist das Zeitfenster nicht übermäßig weit offen." Denn der Sportvorstand soll wiederum den neuen Trainer finden, an dessen Vorstellungen der Kader angepasst werden sollte. Hecking sollte einen Trainerkandidaten also bestenfalls schon parat haben.

Doch der Aufsichtsrat hatte am Mittwoch seine Entscheidung noch nicht gefällt. Auch das neunköpfige Gremium, das in Nürnberg unter anderem wegen der ständigen Fluktuation so präsent ist wie in kaum einem anderen Verein, steht ja in der Kritik. Schließlich musste schon im Februar 2019 Sportvorstand Andreas Bornemann gehen. Der neue Trainer wird, Interimslösungen mitgezählt, der 13. verschiedene in den vergangenen zehn Jahren sein. Und das Experiment, in Palikuca einen zuvor unerfahrenen Manager auszuwählen, ist offensichtlich schiefgegangen.

Nun ist Hecking im Fußballgeschäft natürlich sehr erfahren: Wer beim HSV gearbeitet hat, könnte vielleicht sogar auf so manche Kapriole beim Club vorbereitet sein. In Nürnberg, wo ihm als Trainer zunächst der Klassenverbleib in der Relegation und dann Rang sechs und zehn gelangen und wo er einige talentierte Fußballer wie etwa Ilkay Gündoğan weiterentwickelte, nannte er sich gar mal einen "Frankenversteher". Doch seinen abrupten Abschied nahm man ihm übel 2012. Und: Erfahrung als Sportchef hat er noch keine.

Wenn Hecking in der Vergangenheit schon mal in Interviews mit einem möglichen Rollenwechsel kokettierte, dann verwies er darauf, dass er eine kaufmännische Ausbildung absolviert und Sportmanagement studiert habe. Als Fußballer von Hessen Kassel kümmerte er sich Anfang der Neunzigerjahre mal nebenbei um Sponsorenakquise und Marketing.

Neben einem neuen Sportvorstand soll es beim FCN in Zukunft womöglich einen weiteren sportlichen Verantwortlichen geben, einen Sportdirektor oder einen "Technischen Direktor", wie es Grethlein am Dienstag nannte. Dies sei schon im vergangenen Sommer der Plan gewesen. Der Wunschkandidat von Palikuca war damals Peter Hermann, der langjährige Assistenztrainer von Jupp Heynckes. Doch Hermann sagte ab, er arbeitete lieber als Co-Trainer im DFB-Nachwuchs.

Diesmal könnte der Kandidat Michael Wiesinger heißen. Grethlein deutete das jedenfalls an, als er sagte, Wiesinger werde "Plan jetzt" weiter das Nachwuchszentrum leiten. In diesen Job ist er vorerst wieder zurückgekehrt, nachdem ihm als Interimstrainer in der Relegation die Rettung gelungen war. Doch er ist nun auch eine Art Aufpasser für Palikuca, während der noch Sportvorstand ist. Und laut Nürnberger Nachrichten ist es neben Grethlein auch Wiesinger, der mit Hecking in Kontakt steht. Sie kennen sich ja: Damals, im Dezember 2012, wurde Wiesinger vom Trainer der zweiten Mannschaft zum Chefcoach befördert - als sich Hecking entschlossen hatte, Nürnberg zu verlassen.

© SZ vom 16.07.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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