1. FC Nürnberg:Für eine Spur Gefährlichkeit

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Matheus Pereira. (Foto: Andreas Gebert/Reuters)

Der Brasilianer Matheus Pereira verkörpert die Hoffnungen der Franken, die kleine Chance auf den Klassenverbleib doch noch zu nutzen.

Von Sebastian Fischer, Nürnberg/München

Es ist noch nicht lange her, dass der Fußballer Matheus Pereira nicht die Hoffnungen des 1. FC Nürnberg trug, sondern für dessen Versagen stand. Nicht mal zwei Minuten waren gespielt, als Nürnberg Ende Februar als Tabellenletzter in Düsseldorf antrat, da schlug Pereira, für den Videoassistenten leicht ersichtlich, seinem Gegenspieler in den Genitalbereich. Er sah die rote Karte, Nürnberg verlor nach fast 90 Minuten zu zehnt 1:2. Und wer dabei zusah, der konnte glauben, dass dem Club in dieser Saison wohl einfach nicht mehr zu helfen ist.

Zwei Monate später, vor dem Spiel gegen den FC Bayern am Sonntag (18 Uhr), hat Nürnberg den Rückstand auf den Relegationsplatz auf drei Punkte verkürzt. Der Brasilianer Pereira, 22, bis zum Sommer geliehen von Sporting Lissabon, war dafür so wichtig, dass er nun unbedingt bleiben soll, "unabhängig von der Liga-Zugehörigkeit", das wünscht sich jedenfalls Nürnbergs neuer Sportdirektor Robert Palikuca. "Er kann ein Unterschied-Spieler sein", sagt Palikuca, und zwar im positiven Sinne: "Er bringt uns in Situationen, in denen wir Erfolgserlebnisse haben."

Auf solche Situationen hatte auch Palikucas im Februar freigestellter Vorgänger Andreas Bornemann gehofft, als er den Flügelstürmer als einen von wenigen Zugängen im Sommer holte. So stolz waren sie beim Club, Pereira trotz kleinen Etats verpflichtet zu haben, dass der Klubsender ein Video aufnahm, das den Spieler eineinhalb Minuten beim Passen und Jonglieren im Nürnberger Nieselwetter zeigte. Allerdings stand Pereira dann bis Dezember nur zweimal in der Startelf. Einer der Menschen, die den Wert des Transfers trotzdem erkannten, war Palikuca, der damals noch für Fortuna Düsseldorf arbeitete.

Der Manager ließ Pereira schon für die Fortuna beobachten, als der noch für Sportings Reserve spielte. Er sagt: "Man muss ein Trainerteam haben, das den Spieler integriert." Und: "Man muss die Fantasie haben, den Spieler zu entwickeln." Was in der Hinrunde unter Trainer Michael Köllner selten gelang, scheint seit Februar unter Interimstrainer Boris Schommers besser zu funktionieren. Und vielleicht spielte auch die rote Karte eine Rolle.

Pereira, geboren in Belo Horizonte, aufgewachsen in Portugal, äußert sich regelmäßig auf seinem Twitter-Account. Im August, vor seinem Wechsel, meckerte er etwa mit wütendem Emoji über den Coach in Lissabon, der ihn auf die Bank setzte. Nach dem Platzverweis im Februar twitterte er in einer Wortwahl, die auf ehrliche Gefühle und keine PR-Maßnahme schließen ließ: "In dieser schwierigen Moment ich sage Entschuldigung liebe Fans." Bei seiner Rückkehr nach drei Spielen Sperre gewann Nürnberg 3:0 gegen Augsburg, der erste Sieg nach zuvor 20 sieglosen Partien. Pereira faltete nach seinem Treffer zum 2:0 nochmals entschuldigend die Hände Richtung Fankurve. Nach seinem Tor beim 1:1 gegen Stuttgart in der Woche darauf tanzte er. Als Rechtsaußen zog er oft in die Mitte und initiierte viele Chancen, war mehr Spielmacher als Flügelangreifer. Eine Woche später beim 1:1 gegen Schalke bereitete er Nürnbergs Tor vor.

Trainer Schommers hat dem Club Defensivstärke verliehen und so die Chance auf den Klassenverbleib gewahrt, kompaktes Verteidigen soll auch gegen den FC Bayern das Mittel für einen unwahrscheinlichen Erfolg sein. Es ist aber auch Offensivspieler Pereira, der die Veränderung verkörpert. Einerseits, weil er dem mit 24 Treffern schwächsten Sturm der Liga nun eine Spur Gefährlichkeit beschert. Andererseits, weil er jetzt "eine gesunde Härte in der defensiven Zweikampfführung" zeige, wie Palikuca sagt. Es klänge also folgerichtig, dass Pereira beim Club bleiben soll - wäre es nicht so unwahrscheinlich.

Es ist gerade in Nürnberg viel von Weggängen im Sommer die Rede. Patrick Erras berichtete der Bild-Zeitung bereits von Interessenten aus der Bundesliga und der Premier League. Junioren-Nationalspieler Eduard Löwen soll ebenfalls wechseln wollen, genauso wie Linksverteidiger Tim Leibold. Zwar hat der Club gerade erstmals seit 2007 die Lizenz für die erste und zweite Liga ohne Auflagen erhalten, doch Palikuca sagt zu den Gerüchten: "Ein Verein wie Nürnberg kann sich nicht komplett verschließen, wenn ein Angebot in Millionenhöhe kommt." Nur bei Pereira wird er konkret. Den Brasilianer, dessen vertraglich festgeschriebene Ablöse in Lissabon bei 60 Millionen Euro liegt, will er ein weiteres Jahr ausleihen: "Ich hoffe, dass wir das mit ihm hinbekommen."

Am Montag vor zwei Wochen hat Nürnbergs Sportvorstand seinen Job angetreten, bereits tags zuvor habe er in Düsseldorf, am Rande des Spiels gegen die Bayern, mit Pereiras Vater gesprochen. "Ich bin überzeugt, dass es dem Spieler guttun würde, wenn er noch ein Jahr im gleichen Umfeld bleibt", sagt Palikuca. Und Pereira hat am Mittwoch zuletzt getwittert: ein Bild, auf dem er seinem Trainer aufmerksam zuhört.

© SZ vom 28.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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