1. FC Nürnberg:Fünf Gegentore beim Offensivprojekt

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Nürnberg verliert unter der Anleitung von Interimstrainer Marek Mintal 1:5 gegen Arminia Bielefeld. In dieser Woche will der Club einen neuen Übungsleiter präsentieren.

Von Thomas Gröbner

Marek Mintal trauen sie in Nürnberg ziemlich viel zu, sie haben sein Bild aufgehängt in den Katakomben neben den Club-Heiligen, neben Max Morlock und Heiner Stuhlfauth. Es sind Männer, die für die gute alte Zeit stehen beim Club, oder für die sehr alte sehr gute Zeit. Menschen wie Marek Mintal, 42, rufen sie in Nürnberg "Legende", und so einer sollte doch auch eine völlig verunsicherte Mannschaft aufrütteln können. Doch nach seinem ersten Spiel als Profi-Trainer sagte Mintal: "Wir haben heute etwas kaputt gemacht."

Sie werden sein Bild nicht wieder abmontieren nach diesem 1:5-Desaster. Aber die Hoffnung, dass der Mann als Interimstrainer mit seiner Aura eines Bundesliga-Torschützenkönigs die verunsicherten Spieler aufrichten könne, die erwies sich als trügerisch. Bielefeld brauchte nur fünf Minuten, um zu zeigen, dass die Probleme zu tief sitzen, um sie mit dem im Fußball üblichen Reflex einer Trainerentlassung zu lösen.

Zuerst musste Mintal beobachten, wie ein Lauf von Reinhold Yabo die rechte Nürnberger Seite aufriss, seine Hereingabe drückte Jonathan Clauss an Willert vorbei (10. Minute). Und weil Bielefeld über das vielleicht beste Sturmduo der zweiten Liga verfügt, ging es beinahe im Minutentakt so weiter, Fabian Klos (13.) und Andreas Voglsammer (15.) erhöhten auf 3:0. Damit war die Partie im Prinzip gelaufen.

Dabei hatte sich Nürnberg mutig ins Spiel gestürzt. Mintal hatte Ondrej Petrak in die Startelf befördert, der sich darüber beschwert hatte, Mintals Vorgänger Damir Canadi habe ihn zu wenig berücksichtigt - dafür blieben Mikael Ishak und Nikola Dovedan auf der Bank. "Wir wollten offensiv spielen", sagte Mintal danach. War es zu mutig? "In den ersten zehn Minuten dachte ich: Wow!", sagte Mintal. Doch dann kamen jene fünf Minuten, in denen Bielefeld dreimal traf und die nagende Frage danach: "War das vielleicht kindlich, war das vielleicht dumm und naiv?", fragte Mintal. "Aber die Jungs wollen das auch, das war eine gemeinsame Entscheidung."

„Ich möchte nicht sagen, dass sich die Spieler verstecken. Aber du findest wenig Führungsspieler“, sagte Mintal über seine Mannschaft – in der sich stellvertretend Kapitän Hanno Behrens ärgerte (Foto: Wolfgang Zink / imago)

Es breitete sich eine seltsame Stille an diesem Sonntagnachmittag aus, als die Nürnberger Anhänger irgendwann ihre Unterstützung eingestellt hatten. Nachdem zwar erst der eingewechselte Lukas Jäger (59.) für Nürnberg verkürzt hatte, erzielte Klos das 4:1, noch während die Tormusik spielte. Dann erhöhte Yabo auf 5:1 (73.). Also schwiegen die Fans. Und Marek Mintal? Der vergrub seine Hände in der Jackentasche und schaute zu, er wirkte dabei wie ein Denkmal.

Laut wurde es erst wieder, als die Fans ihre eigene Mannschaft verhöhnten. Bei jedem Querpass peitschten hämisch "Olé"-Rufe durchs Stadion. "Es muss sich keiner sorgen, dass wir das mit Absicht machen", sagte Enrico Valentini danach. Er könne nachvollziehen, "was da auf uns eingeprasselt ist, aber es blutet mir das Herz". Mintal hatte dann noch eine Botschaft an die Mannschaft: "Ich möchte nicht sagen, dass sich die Spieler verstecken. Aber du findest wenig Führungsspieler."

In dieser Woche will der Club einen neuen Trainer präsentieren, die Namen von Daniel Meyer, Hannes Wolf und Markus Anfang werden geraunt. Der neue Mann soll sich dann auch einen neuen Torhüter wünschen dürfen. Denn die Keeper Nummer eins bis vier sind verletzt. Die Nummer fünf, Benedikt Willert, ist erst 18 Jahre alt und musste in seinen ersten zwei Profispielen acht Gegentore hinnehmen. Gegen Bielefeld landeten die ersten vier Schüsse in seinem Tor. "Ich hoffe der Junge bleibt stark", sagte Mintal danach.

„Ich hoffe der Junge bleibt stark“, sagte Mintal über Torwart Benedikt Willert (im Bild erlebt er gerade das 1:5). Willert ist 18 und eigentlich die Nummer fünf beim Club. Gegen Bielefeld landeten die ersten vier Schüsse in seinem Tor. (Foto: Daniel Marr / Imago)

Es dürfte in Nürnberg niemandem Trost spenden, dass sich diese Mannschaft gegen den neuen Tabellenführer der zweiten Liga überrumpeln ließ. Eine Mannschaft, von der ihr Trainer Uwe Neuhaus sagte, sie sei "gehemmt von der Aussicht, Tabellenführer werden zu können". Man möchte sich nicht vorstellen, wie dieses Spiel gelaufen wäre, wenn die Arminia befreit aufgespielt hätte.

Nach der Niederlage steht Nürnberg bis nach der Länderspielpause nur knapp über den Abstiegsplätzen. Aber Abstiegsängste? Davon wollte Mintal nichts wissen. "Wir sollten nicht vom Abstiegskampf reden. Es kommen wieder bessere Zeiten, da bin ich überzeugt."

Aber wer diese besseren Zeiten einleiten soll, das ist ungewiss. Auch Mintals eigene Zukunft, die war nur bis Sonntag geklärt. Wie es jetzt für den Interimstrainer weitergeht? "Ich weiß selber nicht", gestand er. Er habe den Auftrag bekommen, die Mannschaft auf dieses Spiel vorzubereiten - weiter reichten die Absprachen zwischen Sportvorstand Robert Palikuca und Mintal nicht. Und so wird er wohl wieder zurück in den Nürnberger Nachwuchsarbeit gehen, zur U21 des Clubs. "Ich hab meine Mannschaft, das ist keine Tragödie für mich." Und sagte zum Abschied: "Das Lebbe geht weiter".

© SZ vom 11.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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