1. FC Nürnberg:Es war einmal ein mutiger Plan

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„Selbstkritische“ und „ehrliche“ Analyse: Damir Canadi coachte Nürnberg gegen Bochum zum letzten Mal. (Foto: imago)

Der Zweitligist stellt nach zuletzt nur einem Sieg in neun Pflichtspielen Trainer Canadi frei. Ursprünglich sollte der Österreicher für den Wiederaufstieg in die erste Liga bis zum Sommer 2021 Zeit haben.

Von Sebastian Fischer

Der 1. FC Nürnberg ist bisweilen ein besonderer Verein mit einer besonderen Beziehung zu besonderen Fans. Vor ein paar Jahren stellten Club-Ultras die Mannschaft mal auf der Heimreise von einem Auswärtsspiel in Freiburg auf einem Rastplatz zur Rede. Nach der vergangenen Saison wurde die Mannschaft gefeiert, obwohl sie als Tabellenletzter mit 19 Punkten und einem Torverhältnis von minus 42 in die zweite Liga abstieg. Am Montagabend, nach dem 1:3 beim VfL Bochum, standen die Spieler vor der Gästekurve, die Szene ist auf einem Handyvideo festgehalten. Der Vorsänger der Fans rief in sein Megafon: "Der Block hat bereits entschieden, was passieren muss!" Die Anhänger hatten gerufen: "Canadi raus!"

Genauso kam es. Der Österreicher Damir Canadi, 49, hatte im Sommer die Aufgabe übernommen, den 1. FC Nürnberg in die Bundesliga zurückzuführen. Dafür, so sagte es der ebenfalls erst in der vergangenen Rückrunde geholte Sportvorstand Robert Palikuca, sollte der Trainer zwei Jahre Zeit bekommen, der direkte Wiederaufstieg sei kein Muss. Doch am Dienstag, keine sechs Monate nach seiner Vorstellung, wurde Canadi bereits wieder freigestellt. Trainer wird vorerst Marek Mintal, der frühere Bundesliga-Torschützenkönig, der bislang für die U21 zuständig war.

In Bochum hatte der Club das fünfte Pflichtspiel in Serie nicht gewonnen und war nach nur einem Sieg in den vergangenen neun Begegnungen auf Platz elf abgerutscht. "Die fahren lange hierher, da habe ich volles Verständnis, dass wir nach dem Spiel auf die Fresse kriegen", sagte Kapitän Hanno Behrens zur Wut der Fans. Er sagte aber auch, dass es "zu einfach" wäre, die Ergebnisse der letzten Wochen "am Trainer festzumachen. Da müssen wir uns als Mannschaft an die eigene Nase fassen!"

Tatsächlich war die Situation für Canadi keine ganz leichte. 13 Zugänge kamen im Sommer, er mahnte bereits vor der Saison, dass ein derart großer Umbruch Zeit benötige. Zuletzt fehlten ihm auch noch wichtige Spieler: In Benedikt Willert, 18, hatte in Bochum die hierarchische "Nummer fünf" im Tor gestanden, weil derzeit vier Torhüter verletzt sind, Stammkeeper Christian Mathenia fällt gar bis Saisonende aus. Willert sah in Bochum beim 0:2 schlecht aus, auch weil sich vor ihm in der Nürnberger Freistoßmauer zwei Spieler vor dem Ball wegduckten. Nürnberg wirkte gegen den Tabellen-16. nie wie der mögliche Sieger.

Canadi wurde zum Verhängnis, dass er stets von einem Plan mit mutigem, dynamischem Fußball sprach, davon aber nicht genug zu sehen war. "Mir ist auf dem Platz wichtig, dass man so auftritt, dass die Fans stolz nach Hause gehen", hatte er mal gesagt, aber die Fans waren seit Wochen eher wütend. Auch im Team soll das Verständnis für Canadis Ideen geschwunden sein. Ondrej Petrak beschwerte sich in der Bild über fehlende Gespräche mit dem Coach.

Es war für Canadis Renommee auch eher nicht vorteilhaft, dass er der Boulevardzeitung Krone sagte: "Mittlerweile bin ich für Trainer in Österreich ein Vorbild." Canadi war vor seinem Wechsel nach Nürnberg in Griechenland bei Atromitos Athen erfolgreich; in seiner Heimat war er aber auch für fünf unglückliche Monate und die Entlassung nach 17 Spielen bei Rapid Wien bekannt. Seinen Ruf prägten auch 59 zum Teil umständlich gestaltete Powerpoint-Folien mit seiner Spielphilosophie, die er wohl auch der Mannschaft zeigte, und die man auf der Webseite des Bundes Österreichischer Fußball-Lehrer findet. Canadi suchte lange nach seiner Formation, stellte erst eine Dreierkette auf, änderte das System zu einem mit Viererkette. "Er will viel", hatte Behrens vor der Saison gesagt, "da muss man erst mal zueinanderfinden."

Palikuca hatte den Trainer, den er Gerüchten zufolge auch schon im vergangenen Winter zu Fortuna Düsseldorf holen wollte, bisher vehement verteidigt. Der Kader ist auch nach den Vorstellungen Canadis zusammengestellt. In Nikola Dovedan kam etwa sein Wunschspieler für eine Ablöse von angeblich 2,5 Millionen Euro aus Heidenheim. Man habe "selbstkritisch" und "ehrlich analysiert", wurde Palikuca am Dienstag in einer Vereinsmitteilung zitiert. Bis zum Derby gegen Greuther Fürth nach der Länderspielpause soll bestenfalls ein neuer Trainer gefunden sein.

Am Montagabend, vor der Fankurve, ging es auch schon um die Zukunft. Die Mannschaft, so hallte es ihr aus dem Megafon entgegen, sei doch eigentlich besser als die im Vorjahr. Nach einem Trainerwechsel gebe es deshalb keine Ausreden mehr.

© SZ vom 06.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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