1. FC Nürnberg:Einmal Spitze

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„Das war gar nicht so leicht“: Fabian Schleusener trifft zum entscheidenden 1:3 für Nürnberg beim FC Ingolstadt. (Foto: Alexander Hassenstein/Bongarts/Getty Images)

Fabian Schleusener wird nach seinem entscheidenden Treffer in der Relegation gefeiert. Doch Sportchef Robert Palikuca, der ihn holte, steht in der Kritik.

Von Sebastian Fischer

Jan Kristiansen ist ein Fußballer von herausragender Bedeutung für die jüngere Geschichte des 1. FC Nürnberg, doch der Nürnberger Stürmer Fabian Schleusener hatte sich mit ihm bislang noch nicht näher beschäftigt. Kristiansen schoss im Sommer 2007 ein traumhaftes Tor, das dem FCN ein 3:2 nach Verlängerung im DFB-Pokalfinale sicherte, den bislang letzten Titel. Schleusener war damals 15, als junger Fußballer im Breisgau hat er das Pokalfinale wahrscheinlich schon mitbekommen, aber es hat ihn nicht unbedingt berührt. Doch nun, sagte er am Montag, sei er in den sozialen Medien auf einem Kristiansen-Bild verlinkt worden. Er ist jetzt ein mindestens genauso wichtiger Spieler in der Club-Geschichte.

Schleusener, 28, hat am Samstag in der sechsten von fünf angezeigten Minuten Nachspielzeit das Tor zum 1:3 gegen den FC Ingolstadt erzielt, das den neunmaligen deutschen Meister Nürnberg vor dem zweiten Abstieg in die dritte Liga in der Vereinsgeschichte bewahrte. "Ich weiß nicht, ob ich jemals so viele Männer in Tränen gesehen habe", sagte er danach, so schwer begreifbar war die Dramaturgie: Die Relegation nach einer missratenen Zweitliga-Saison, der zunächst verspielte 2:0-Vorsprung aus dem Hinspiel, das rettende Tor mit der letzten Chance. Dass er es geschossen hatte, war eine zusätzliche Pointe.

"Mir wurde wahnsinnig oft Mut zugesprochen", sagt Schleusener - und bedankt sich bei Palikuca

Genau in jenem Stadion in Ingolstadt, im gegenüberliegenden Strafraum, hatte sich Schleusener im März 2019 als Spieler des SV Sandhausen das Schienbein gebrochen. Der Treffer am Samstag war sein erster seitdem. "Für mich wird es immer das schönste Tor bleiben", sagte er, als er es mit zwei Tagen Abstand in einer Telefonkonferenz mit Journalisten noch mal beschrieb: Wie Mittelfeldspieler Patrick Erras den Ball über seinen Kopf und die Verteidiger hinweg in den Strafraum vorlegte, wie der Ingolstädter Nico Antonitsch fiel und damit der Weg frei war für Schleusener, der sprang, grätschte und - "das war gar nicht so leicht" - den Ball mit der Spitze berührte. "Gefühlt eine halbe Ewigkeit", habe es gedauert, bis der Ball am Torwart vorbei über die Linie gerollt war.

Die Geschichte von Fabian Schleusener ist allerdings auch ein Beispiel dafür, dass sehr viel schiefgegangenen ist in dieser Nürnberger Saison. Er war im Sommer einer von unzähligen Zugängen. Doch er kam, natürlich auch wegen viel Trainingsrückstand nach seiner schweren Verletzung, nur auf acht Einsätze in der Startelf. Eigentlich Mittelstürmer, wurde er vom nach dem 34. Spieltag entlassenen Trainer Jens Keller nicht in der Sturmspitze eingesetzt, sondern auf den Flügeln. Als ihn Interimstrainer Michael Wiesinger in Ingolstadt einwechselte, 20 Minuten vor Schluss, spielte er in der Mitte.

Er sei sehr dankbar, sagte Schleusener, dass Sportvorstand Robert Palikuca ihn trotz der Verletzung verpflichtet habe, vom SC Freiburg, der ihn zuletzt nach Sandhausen verliehen hatte. "Mir wurde wahnsinnig oft Mut zugesprochen", auch als er sich im Training offenbar nicht für Einsätze empfehlen konnte. Und dass dieses Tor kommen werde, "das wurde mir von Robert Palikuca vorausgesagt". Ob Palikuca als Sportchef weitermachen darf, das ist im Verein allerdings umstritten. Immerhin verantwortet er die Zusammenstellung des Kaders, der die Saisonziele weit verfehlte, sowie die Entlassung von zwei Trainern. Seine Zukunft werde sich "in den nächsten Tagen entscheiden", sagte Palikuca selbst am Wochenende. Am Montag hatte der Aufsichtsrat noch keine Entscheidung bekanntgegeben. Zur Debatte steht auch, dem Manager jemanden zur Seite zu stellen. Eventuell Wiesinger, der in seinen Job als Nachwuchsleiter zurückkehrt, während Marek Mintal als Kandidat für den Trainerjob bei den Profis gilt.

Der Verein gab am Montag die Verabschiedung der ausgeliehenen Spieler bekannt: Verteidiger Dinos Mavropanos, Torhüter Felix Dornebusch, Flügelspieler Philip Heise, Stürmer Michael Frey. Auf dem Abschiedsgruppenfoto sind auch Erras und Mikael Ishak, deren Verträge am Sonntag ausliefen. Dass zwei langjährige Nürnberger, die sich in der Relegation zu Protagonisten aufschwangen, ablösefrei gehen könnten, wird Palikuca auch vorgeworfen.

Man stehe "noch in Gesprächen mit dem einen oder anderen Spieler und dessen Berater", teilte der Verein mit, weshalb man nicht von einer "generellen Verabschiedung" sprechen könne. Das könnte allerdings zu spät sein: Erras soll das Interesse mehrerer Klubs auf sich gezogen haben.

Der Vertrag von Fabian Schleusener gilt bis 2022. Er könnte in Zukunft eine bedeutendere Rolle einnehmen als in dieser Saison. So ein Erlebnis wie am Samstag, glaubt er jedenfalls, könne für die Mannschaft in Zukunft noch wichtig sein.

© SZ vom 14.07.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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