1. FC Nürnberg:Der Lehrer macht die Volte

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Bilder, wie man sie aus der zweiten Liga kennt: Tatsächlich war Nürnbergs Sieg gegen Osnabrück keiner der Ästhetik, sondern der harten Schufterei. (Foto: Daniel Marr/imago)

Nach dem zweiten Sieg im vierten Spiel freundet sich der Club langsam mit der zweiten Liga an - und Trainer Damir Canadi bemüht plötzlich sehr ungewohnte Vokabeln.

Von Thomas Hürner

Im Moment des Sieges sprach Damir Canadi erst einmal über die Last der Vergangenheit. Der Trainer des 1. FC Nürnberg erinnerte seine Zuhörer daran, dass in großen Teilen seiner Mannschaft das Gefühl des Verdrusses sehr ausgeprägt gewesen sein muss, immerhin hätten sich die Negativerlebnisse ja bereits seit geraumer Zeit angehäuft. Man müsse "jetzt an der Mentalität arbeiten", sagte Canadi nach dem 1:0 am Sonntag gegen den Aufsteiger VfL Osnabrück. Und er fügte an: "Wir müssen jetzt nachlegen, stabiler werden."

Es war der zweite Sieg der Nürnberger in dieser Zweitligasaison, dazwischen gab es ein krachendes 0:4 gegen den Hamburger SV und eine Niederlage in Sandhausen. Der Saisonstart entsprach also nicht den Erwartungen. In der vergangenen Saison war man der Konkurrenz oftmals deutlich unterlegen, am Ende stieg der Club als Tabellenletzter aus der ersten Liga ab. Und damit ist der Moment ganz schön lang her, als die Nürnberger letztmals zwei Erfolge in Serie einfahren konnten. "Das spielt in den Köpfen der Spieler schon eine Rolle", sagte Canadi. Es gelte jetzt, sich an den Fußball in der zweiten Liga zu gewöhnen, an den Kampf, an die Härte, ans Gewinnen durch aufopferungsvolle Arbeit.

Dass sich Canadi permanent des typischen Zweitligavokabulars bediente, war schon eine interessante Volte für jemanden, den sie bei seinem ehemaligen Klub Atromitos Athen "den Lehrer" nannten. Über Canadi gibt es ja die Geschichte, dass er sein enzyklopädisches Fußballwissen einmal sehr prägnant zusammengefasst hat, in einer gerade einmal 59-seitigen Powerpoint-Präsentation. Trotz großer Erfolge in Griechenland wurde dieser Vortrag auch ein bisschen hämisch begleitet. Und jetzt sprach Canadi nicht länger über Taktik, sondern vornehmlich über Willen, Mentalität und Leidenschaft.

Tatsächlich war der Sieg gegen Osnabrück keiner von spielerischer Ästhetik, sondern einer der harten Schufterei. Und das, sagte Canadi, müsse sich "nach der ganzen Kritik" in der letzten Zeit ziemlich gut für seine Spieler angefühlt haben, er hatte sogar "Spaß und Freude" bei ihnen ausgemacht. Da trifft es sich ganz gut, dass die Nürnberger kürzlich einen Mittelstürmer verpflichtet haben, der sich äußerst wohl fühlt, wenn es auf dem Spielfeld ruppig zugeht. Michael Frey, ausgeliehen von Fenerbahçe Istanbul, gab ein ansprechendes Pflichtspieldebüt für seinen neuen Verein. Von der harten Gangart seiner Gegenspieler zeigte er sich hinterher unbeeindruckt, "in der Türkei geht's ja auch immer richtig zur Sache". Trainer Canadi attestierte dem Zugang eine "gute Leistung", vor allem weil der 1,88 Meter große Schweizer dabei geholfen habe, dass sich "die technisch beschlagenen Spieler in Position bringen".

Die Nürnberger überbrückten das Mittelfeld nicht mehr mit dem Versuch des filigranen Kurzpassspiels, sondern häufig mit hohen Bällen auf Stürmer Frey. Und auch ansonsten hatte Canadi einiges verändert im Vergleich zu den vergangenen Partien: Zum ersten Mal bot er eine Dreierkette in der Abwehr auf, Spielmacher Sebastian Kerk und Kapitän Hanno Behrens verloren ihren Platz in der Startelf. Letzterer wurde in der 71. Minute eingewechselt, weil sich Iuri Medeiros verletzt hatte. Am Montagvormittag teilte der Club mit, dass sich der Portugiese einen Muskelfaserriss zugezogen hat und am Freitagabend beim Heimspiel gegen den 1. FC Heidenheim ausfallen wird. Es wird interessant zu beobachten sein, ob Behrens dann wieder von Beginn an spielt. Trainer Canadi berichtete, dass er sich mit dem zuletzt formschwachen Mittelfeldmann zusammengesetzt und besprochen habe, wie man "seine Situation verbessern kann". Behrens habe diese Entscheidung "super angenommen", er werde weiterhin "ein wichtiger Spieler bleiben" und "natürlich auch Kapitän". Am Sonntag jedenfalls war Behrens nach seiner Einwechslung ein Kapitän ohne Binde, weil diese am Oberarm des Torwarts Christian Mathenia verblieb.

Behrens hatte trotzdem einen spürbaren Einfluss auf das Nürnberger Spiel, er übernahm gleich die Initiative und belebte die in der zweiten Hälfte ermüdeten Offensivbemühungen. Es war dann aber seinem Mittelfeldkollegen Johannes Geis vorbehalten, für die Erlösung des Clubs zu sorgen - er traf in der 80. Minute mit einem wuchtigen Distanzschuss. "Da merkt man, dass er Mittwochabends schon mal die Hymne gehört hat", sagte der Osnabrücker Trainer Daniel Thioune über den ehemaligen Champions-League-Spieler Geis. Der Torschütze selbst sagte: "Mit dem Tor und mit dem Sieg ist ein bisschen Ballast von uns abgefallen nach der harten Niederlage gegen Sandhausen."

© SZ vom 27.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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