1. FC Nürnberg:Ansage im Aufzug

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Torwart Felix Dornebusch, gerade noch arbeitslos, hilft dem Club gleich in seinem ersten Spiel.

Von Thomas Gröbner

Der Mann, dem sie in Nürnberg zutrauen, die Gegentorflut zu stoppen, erfuhr von seinem Auftrag im Aufzug, so ganz nebenbei. Jens Keller, der neue starke Mann in Nürnberg, hatte Felix Dornebusch hingehalten bis zuletzt, "damit er die Spannung hochhält". Und so hatte Trainer Keller den Torwart Dornebusch beiläufig gefragt, am Abend vor dem Frankenderby bei der Aufzugfahrt: "Dir ist klar, dass du spielst?" Zuletzt war das ja im Leben von Felix Dornebusch, 25, selten klar gewesen, und schon lange hatte keiner mehr auf ihn gesetzt. In Bochum nicht, wo er im Sommer keinen neuen Vertrag bekam - und arbeitslos wurde. Und weil man dann plötzlich viel Zeit hat zu grübeln und zu zweifeln, hatte Felix Dornebusch in sich hineingehört: "Es ist eine Phase, in der man merkt, was einem wichtig ist. Ich habe gelernt, dass Fußball das ist, was ich machen will", sagte er den Nürnberger Nachrichten. Im Frankenderby gegen Fürth durfte er am Sonntag nach über einem Jahr mal wieder beruflich Bälle halten und seine Viererkette dirigieren, es gelang ihm vorzüglich. "Ich hab heute wenig Torschüsse gehabt, und viel öfters den Ball am Fuß", stellte Dornebusch fest. Er war häufig als Spielmacher gefordert, am Ende hatte er fast so viele Ballkontakte wie Kapitän und Antreiber Hanno Behrens, was vielleicht aber mehr über den Zustand des Nürnberger Spiels im Moment aussagt als über Dornebusch. "Es war ein schönes Gefühl, wieder auf den Platz zu stehen. Das wichtigste ist Spielpraxis", sagte Dornebusch nach dem 0:0, was sich seltsam anhört, denn gerade hatte er ja das Gegenteil bewiesen nach der langen Zwangspause. Ein Jahr ohne Wettkampfpraxis, das kann für einen Torhüter eine kleine Ewigkeit sein.

Schon die fünfte Fachkraft im Tor in dieser Saison: Felix Dornebusch, 25. (Foto: Daniel Karmann/dpa)

Auch Jens Keller hatte so einen souveränen Auftritt nicht erwartet vom Nürnberger Torhüter Nummer fünf in dieser Saison. "Er hat sehr lange nicht gespielt", sagte Keller. Aber: "Er war in der Luft präsent, seine Abwürfe sind sehr gut". Und vielleicht ebenso wichtig in diesen düsteren Tagen in Nürnberg: "Seine Ausstrahlung war unheimlich positiv für die Mannschaft. Eine tolle Leistung nach so langer Zeit." An sein letztes Spiel im DFB-Pokal dürfte er keine guten Erinnerungen haben. Ein Nachmittag im August 2018, erste Runde, beim SC Weiche Flensburg 08. Kein Gegner, bei dem ein Zweitligateam ein Tor kassieren sollte, doch Bochum verlor 0:1. Danach begann die Zeit des Wartens für Dornebusch. Erst auf einen Einsatz, dann auf einen neuen Vertrag, dann auf einen neuen Klub. Er hielt sich in der schwierigen Zeit in der Dortmunder U19 fit und bei Magdeburg, spielte bei Waldhof Mannheim vor. Als er schließlich in Nürnberg unterschrieb, da gratulierte ihm auch Kumpel Leon Goretzka, den er aus gemeinsamen Bochumer Zeiten kennt. Doch wie das so ist im Fußball, wo immer alles mit allem zusammenhängt, kam vor dem Glück von Dornebusch eben auch das Pech seiner neuen Kollegen. Denn die Möglichkeit, sich in Nürnberg zurückzuspielen in die Karriere, die verdankt er der fast unheimlichen Verletzungsserie der Nürnberger Torhüter. Noch einmal zur Erinnerung: Christian Mathenia brach sich die Kniescheibe, Patrick Klandt riss die Achillessehne, Andreas Lukse erlitt einen Muskelfaserriss im Oberschenkel, U21-Torhüter Wendlinger eine Schambeinentzündung. Schlussmann beim Club, dieser Arbeitsplatz scheint einer der gefährlichsten der Liga zu sein. Ob sie Nachwuchsmann Benedikt Willert einen Gefallen getan haben, als sie ihn ins Tor stellten, und der in zwei Spielen achtmal den Ball aus dem Netz fischen musste? "Der junge Torwart hat es gut gemacht", sagte Keller nach dem Spiel, "aber in unserer Situation ist eine gewisse Erfahrung und Reife von Vorteil."

So war es für Dornebusch vielleicht leichter, die Gemeinheiten wegzustecken, mit denen die Fürther Fans versuchten, ihn zu verunsichern. Mit "Fliegenfänger"-Rufen hatten sie ihn empfangen, mit ähnlichen Schmähungen hatten die Bochumer Fans ja auch schon den jungen Willert verhöhnt bei seinem verpatzten Debüt vor drei Wochen. Damals eilte Kollege Manuel Riemann herbei, brachte die Anhänger zum Schweigen und tröstete Willert - jener Riemann, den sie in Bochum Dornebusch vorzogen hatten. Doch das ist längst Vergangenheit, die Gegenwart heißt Nürnberg, und dort ringen sie um Stabilität. Wobei Dornebusch schon gespürt haben will: "Da ist ein Prozess in Gange."

Wohin dieser Prozess ihn führen wird? Sein Vertrag läuft bis zum Sommer. Vielleicht hat er dann mit Jens Keller andere Gesprächsthemen im Aufzug. Falls dann klar ist, dass er spielt.

© SZ vom 26.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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