1. FC Nürnberg:Ankunft im Abstiegskampf

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Grimmig beim Heimdebüt: Jens Keller hat als Club-Coach bisher noch nicht gewonnen. (Foto: Daniel Karmann/dpa)

In der Abwehr nicht eingespielt, vorne auf der Suche nach Lösungen: Der Club verliert gegen Wehen Wiesbaden 0:2.

Von Sebastian Fischer

Als Jens Keller vor rund zweieinhalb Wochen mit der Arbeit begann, den 1. FC Nürnberg in der zweiten Bundesliga wieder zu Erfolgen zu führen, schien er voller Eifer und Vorfreude zu sein. "Der Club ist ein sehr spannender Verein mit großer Tradition und einem immensen Fanpotenzial", sagte er. An Szenen wie am Samstagnachmittag wird er dabei aber eher nicht gedacht haben. Rund zehn Minuten stand der Trainer im Stadion mit verkniffenem Gesichtsausdruck vor den Fans, die Nürnberger Spieler hinter ihm. Zehn Minuten lang ließen sie sich beschimpfen.

"Wenn man so eine Leistung bringt, dann muss man sich auch was anhören", so hat Keller, 49, später erklärt, warum er den unangenehmen Weg vor die Nordkurve gewählt hatte. In seinem ersten Heimspiel in Nürnberg hatte die Mannschaft gegen den bisherigen Tabellenletzten SV Wehen Wiesbaden 0:2 verloren. Der Club, nach dem Bundesliga-Abstieg im Sommer mit dem Ziel angetreten, im oberen Tabellendrittel mitzumischen und spätestens 2021 wieder aufzusteigen, belegt jetzt erst mal den Abstiegs-Relegationsplatz 16.

"Unser Spiel war in vielen Bereichen viel zu fehlerhaft", sagte Keller, und tatsächlich konnte man an den Fehlern, die zu beiden Gegentoren führten, ein paar Probleme der Mannschaft ablesen. Beim 0:1 durch Manuel Schäffler in der vierten Minute hob Rechtsverteidiger Enrico Valentini das Abseits auf, weil er als einziger Spieler in der Viererkette keinen Schritt nach vorne machte. Einer wirklich eingespielten Abwehr passiert so etwas womöglich nicht, aber zum Einspielen hatte die Nürnberger Defensive bislang zu wenig Gelegenheit.

Kellers Vorgänger Damir Canadi stellte erst Mitte September von Dreier- auf Viererkette um und wechselte häufig das Personal; die Vorbereitung hatte er dafür genutzt, der Mannschaft eine neue, mutige Art der Spieleröffnung beizubringen, die aber in der Praxis selten funktionierte. Und eine gewisse Verunsicherung, wie sie verteidigen und den Gegner im Pressing anlaufen soll, war der Mannschaft in den vergangenen Monaten oft anzumerken.

Beim 0:2 durch Daniel-Kofi Kyereh kurz nach der Pause, als der Club den Eindrücken der letzten Minuten der ersten Hälfte zufolge spät ins Spiel gefunden hatte, lief dann Torhüter Felix Dornebusch weit und dafür zu inkonsequent aus dem Tor, der Ball flog aus halbrechter Position und rund 25 Metern in hohem Bogen über ihn. Dornebusch, vor zwei Wochen als zuvor vertragsloser Profi verpflichtet, ist Nürnbergs fünfter Torhüter in dieser Saison; vier Keeper sind verletzt. "Beim ersten Tor haben wir nicht gemeinsam verteidigt, beim zweiten trifft natürlich unser Torwart eine falsche Entscheidung", sagte Keller.

Und doch sind das noch keine hinreichenden Erklärungen für die Situation der Nürnberger, die inzwischen acht Pflichtspiele in Serie nicht gewonnen und davon fünf verloren haben. "Vielleicht ist der Kopf nicht frei, irgendwas fehlt auf alle Fälle. Wir trainieren gut, der Trainer macht alles super. Wir sind heiß, wir pushen uns und dann gehen wir aufs Feld - und es läuft einfach nicht", sagte Mittelfeldspieler Johannes Geis. "Das ist einfach bitter und absolut scheiße."

Nürnberg spielte am Samstag mehr erfolgreiche Pässe als die Gäste, gewann nicht weniger Zweikämpfe, schoss deutlich häufiger aufs Tor. Auch in Kellers erstem Spiel, beim 0:0 im Derby gegen Fürth, hatte sich das Team durchaus stabilisiert präsentiert. Doch der Mannschaft scheinen verlässliche Lösungswege nach vorne zu fehlen, die nur durch Erfolgserlebnisse an Spieltagen zu solchen werden. Keller hatte bei seiner Vorstellung angekündigt, zunächst vor allem die Abwehr stärken zu wollen, die vor seiner Übernahme bereits 27 Gegentore hatte hinnehmen müssen.

Nürnbergs Sportvorstand Robert Palikuca, der zu Beginn der Saison zunächst die arrivierten Profis kritisiert hatte ("Wir wollen von den Spielern wissen, warum sie die zweite Liga noch nicht angenommen haben") und später durch Canadis Freistellung auch den Trainer für die Misere mitverantwortlich machte, sprach am Samstag von der Ankunft im Abstiegskampf, "spätestens jetzt". Er habe nach dem Spiel am Samstag deutliche Worte an die Mannschaft gerichtet, heißt es auf der Vereins-Homepage: in der Hoffnung auf eine Trendwende in den verbleibenden drei Begegnungen bis zur Winterpause.

Am kommenden Montag tritt Nürnberg zunächst beim Tabellendritten VfB Stuttgart an, in Kellers Heimatstadt. Wehen Wiesbaden hat dort vor ein paar Wochen 2:1 gewonnen.

© SZ vom 02.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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