1. FC Köln:Dreimal null bleibt null

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Köln wirkt im rheinischen Derby wie eine Mannschaft in der Saisonvorbereitung. Langsam wächst nun die Unruhe.

Von Milan Pavlovic, Köln

Es lief die 74. Minute in Köln-Müngersdorf, das rheinische Derby gegen Mönchengladbach war längst entschieden, da setzte Dominick Drexler zu einem Monster-Tackling an. Niemand sollte behaupten, dass es am Einsatz gemangelt hätte; wohlgemerkt im Mittelfeld. An der Seitenlinie grätschte der Kölner riskant gegen den Borussen Stefan Lainer. Der Österreicher kommentierte die Aktion auf dem Boden liegend mit einem "Geht's noch?"-Gesichtsausdruck, denn Drexler traf nicht den Ball, sondern Lainer - und sich selbst. Kölns Vereinsarzt eilte zum Tatort, von wo zügig das Zeichen der Auswechslung kam. Bei einem unnötigen Foul sich selbst dezimiert, diese kleine Szene steht sinnbildlich für die ersten Kölner Wochen dieser Saison: Zunächst fehlte das Können, und dann kam Pech hinzu, etwa die Verletzungen von Modeste, Kainz und Kapitän Hector.

Es sind zwar schon drei Spieltage absolviert, aber beim 1. FC Köln hat man trotzdem das Gefühl, dass die Saisonvorbereitung noch läuft. Bei vielen Klubs sind spät neue Spieler gekommen und alte gegangen, aber so extrem wie in Köln war es nirgends. Zu lange wurde wegen einzelner Wechsel (Uth, Córdoba) gefeilscht. Gegen Mönchengladbach zeigte sich auch, warum Hertha BSC nicht bis zum Äußersten gegangen war, um Spielmacher Ondrej Duda zu halten: Der slowakische Feinfuß hat Tage, an denen man ihn auf dem Rasen von einem Detektiv suchen lassen müsste.

Hinzu kommt das Kölner Spielergewirr. In den Endphasen der Partien gegen Bielefeld (0:1) und Gladbach (1:3) standen jeweils mehrere neue FC-Spieler auf dem Feld, die praktisch noch gar nicht mit dem Team trainiert hatten (Arokodare, Limnios, nun am Samstag Marius Wolf) - oder die seit Jahren nicht mehr in der ersten Elf gestanden hatten (Sörensen). Trainer Markus Gisdol war in der vergangenen Saison überraschend die Wende zum Guten geglückt, als er unvermittelt auf die Jugend gesetzt hatte. Die sitzt inzwischen überwiegend wieder auf der Ersatzbank. Gisdols Ideen hatten diesmal etwas von der Verzweiflung eines Trainers, der sein Team per Wünschelrute aufstellt.

Zudem entpuppte sich ein Systemwechsel gegen konzentrierte und gierige Gäste schnell als fatal: Gisdol wollte die Außenbahnen verdichten, doch Gladbach kombinierte sich ziel- und passsicher durch die enormen Kölner Lücken und entblößte gnadenlos die Kölner Schwächen bei langen Pässen hinter die Defensivreihe, was auch schon Hoffenheim beim 3:2 in Köln ausgenutzt hatte. Gisdol kommentierte irritiert: "Wenn du so ein Zweikampf-Verhalten wie wir in den ersten 20 Minuten hast, kannst du mit Sechser- oder Achterkette spielen, dann ist es egal." Dazu irritierte er mit dem Kommentar: "Wir haben gegen einen starken Gegner gespielt, der heute vielleicht sogar überraschend stark war, vor allem in den ersten 20 Minuten. Auch in der Summe war Gladbach zu konsequent, zu geradlinig, hatte zu viel Klasse."

Und dann sagte der Trainer, dessen Vertrag zuletzt ohne Not bis 2023 verlängert wurde, einen Satz über den Rivalen, der alle Kölner wie ein Leberhaken getroffen haben dürfte: "Die haben das sensationell gemacht zu Beginn. Dann weißt du, warum Gladbach in der Champions League gegen Inter Mailand und Real Madrid spielt - und wir halt gegen den Abstieg ... Selbst wenn wir eine optimale Leistung bringen, ist es sauschwer, gegen Gladbach überhaupt einen Punkt zu holen." Gisdol wirkte fast dankbar für die Leistung der Gäste.

Während man bei Köln nach einer Linie suchte, waren die Gladbacher bis in die Details bestens vorbereitet. Das ging so weit, dass die Spieler gezielt das Torwarteck des Kölner Gehäuses anvisierten, weil Timo Horn dort zuletzt Schwächen offenbart hatte. So kam der eher kleine Lainer zu einem raren Kopfballtreffer ins kurze Eck; beinahe hätte Neuhaus kurz nach der Pause mit einem noch dreisteren Versuch Erfolg gehabt. Der FC-Torwart hatte eben nicht nur mehrere Glanzparaden gezeigt, sondern auch wieder einen Treffer verschuldet - schon den dritten im dritten Spiel.

Bei den Kölnern stimmt die Balance bisher nicht: Schnelle Spieler wirken nicht immer ballfertig, ballfertige selten schnell, und körperlich fehlt noch einiges. Gespielt wird eine Art Verdachtsfußball: Pässe in Räume, die alles andere als frei sind - oder gar nicht besetzt. Gegen Gladbach resignierten die Kölner unverständlich früh, spätestens nach dem 0:3 in der 56. Minute, so dass sogar die 300 Fans, die das Kölner Gesundheitsamt nach langem Ringen zugelassen hatte, laut schwiegen und das Spiel sich das Prädikat des traurigsten aller rheinischen Derbys verdiente.

Was vielleicht möglich gewesen wäre, zeigten die letzten Minuten, nachdem Rexhbecaj (84.) mit einem strammen Flachschuss Gladbachs Torwart Yann Sommer klein aussehen ließ und zum 1:3 traf. Plötzlich wirkten die Kölner nicht mehr anämisch und die Gladbacher gar nicht mehr so souverän. Aber es war zu wenig zu spät. Und deshalb blieb Gisdol nicht mehr als die Hoffnung, in der Länderspielpause daran arbeiten zu können, einen arg zusammengeschustert wirkenden Haufen in eine homogene Mannschaft zu verwandeln.

© SZ vom 05.10.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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