Wiesbaden:Landtag prüft Awo-Tätigkeit von Abgeordnetem

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Das Logo der Frankfurter Arbeiterwohlfahrt. (Foto: Frank Rumpenhorst/dpa/Archivbild)

Nach Berichten über überhöhte Gehaltszahlungen und persönliche Verflechtungen bei den Frankfurter und Wiesbadener Verbänden der Arbeiterwohlfahrt (Awo) prüft...

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Wiesbaden (dpa/lhe) - Nach Berichten über überhöhte Gehaltszahlungen und persönliche Verflechtungen bei den Frankfurter und Wiesbadener Verbänden der Arbeiterwohlfahrt (Awo) prüft die Landtagsverwaltung nun die Awo-Tätigkeit des Abgeordneten Taylan Burcu (Die Grünen). Geprüft wird dabei nach Angaben eines Landtagssprechers, ob Regeln für die Anzeigepflicht oder Verhaltensregeln verletzt wurden. Zuerst hatte der Hessische Rundfunk darüber berichtet. Burcu ist der Bruder des Wiesbadener Awo-Geschäftsführers.

Yanki Pürsün, sozialpolitischer Sprecher der FDP-Fraktion, forderte am Mittwoch, Burcu solle seinen Posten im Landtagspräsidium ruhen lassen, „bis die Angelegenheit geklärt ist“.

Burcu war im vergangenen Jahr nach Angaben seiner Fraktion acht Monate Geschäftsführer der Frankfurter Awo-Tochter ProServ. Nach seiner Wahl in den Landtag habe er am 16. Dezember 2018 gekündigt und seine Tätigkeit zum 31. Dezember 2018 niedergelegt, sagte eine Sprecherin der Fraktion der Grünen am Mittwoch. Im Prüfverfahren dürfte es vor allem darum gehen, dass Burcu noch über das Jahresende hinaus im Handelsregister als Geschäftsführer eingetragen war. „Das muss der Arbeitgeber ändern, nicht der Arbeitnehmer“, betonte die Sprecherin. Dass auf der Webseite des Landtags als Beruf Burcus „Geschäftsführer“ genannt werde, beziehe sich wie in solchen Fällen üblich auf die letzte Tätigkeit vor Übernahme des Landtagsmandats. „Das heißt nicht, dass man sie noch ausübt.“

Nach den Regeln des Landtages müssen Abgeordnete dem Präsidium unter anderem ihre zuletzt ausgeübte Berufstätigkeit, Tätigkeiten als Mitglied eines Vorstandes, Aufsichtsrates, Verwaltungsrates, Beirates sowie Nebeneinkünfte außer ihrem Mandat mitteilen. „Bestehen Anhaltspunkte dafür, dass ein Mitglied des Landtages seine Pflichten nach den Verhaltensregeln verletzt hat, holt die Präsidentin oder der Präsident zunächst dessen Stellungnahme ein und leitet eine Prüfung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht ein“, heißt es in den Verhaltensregeln des Landtags.

Nach Angaben des Sprechers gibt es keine Routineüberprüfungen durch die Landtagsverwaltung, sondern nur anlassbezogene. Die Fraktionssprecherin sagte, eine Stellungnahme Burcus sei am 12. Dezember angefragt worden, am Tag darauf habe der Abgeordnete ausführlich die Fragen beantwortet.

Der Frankfurter Awo-Kreisverband steht seit Wochen in der Kritik. Es laufen staatsanwaltschaftliche Ermittlungen wegen des Verdachts des Betruges und der Untreue mit Geldern der Stadt. Auch das Finanzamt prüft den Frankfurter Verband. Hinzu kommen Medienberichte über Luxus-Dienstwagen, teure Hotelübernachtungen und ungewöhnlich hohe Gehälter für einige Mitarbeiter. In den vergangenen Tagen hatte der Awo-Bundesverband eine ausführliche Prüfung begonnen und Schadenersatzforderungen angekündigt. Zudem ermitteln die Staatsanwaltschaften in Frankfurt und Wiesbaden.

Erschwert werde die Arbeit der Prüfer durch ein „noch nicht vollständig überschaubares System von Verflechtungen, wo bestimmte Menschen immer wieder Schlüsselfunktionen eingenommen haben und damit auch jegliche Kontrollfunktion außer Kraft gesetzt haben“, sagte Wolfgang Stadler, der Vorstandsvorsitzende des Awo-Bundesverbandes.

Unterdessen empfahl die ehemalige Revisorin der Arbeiterwohlfahrt (Awo) Frankfurt, Ulli Nissen, die Veröffentlichung des Revisionsberichts für 2016 und 2017. „Ich kann und darf aus der internen Revision leider nur gegenüber dem Kreisausschuss der Awo berichten“, sagte die SPD-Bundestagsabgeordnete in einer Stellungnahme. Die Revisoren hätten ihren zehnseitigen Bericht im Sommer der Kreiskonferenz vorgestellt. Der Revision sei wie üblich eine externe Analyse durch ein Wirtschaftsprüfungsunternehmen vorangegangen.

„Natürlich ärgert es mich, wenn jetzt Selbstbereicherungen aufgedeckt werden, die wir, mit den von uns gezogenen Stichproben, nicht entdeckt haben“, versicherte Nissen. Sie begrüße, „dass die Bundes-Awo nun mit harter Hand durchgreifen will.“ Sie frage sich, ob im Bericht der externen Wirtschaftsprüfung bereits Fehler vorlagen, oder ob das Awo-Präsidium gegenüber den Revisoren Dinge verheimlicht habe. Die beiden ehrenamtlichen Revisoren waren nach immer neuen Berichten über Missstände beim Kreisverband zurückgetreten. Die Arbeit sei „für Ehrenamtliche nicht mehr zu leisten“ gewesen, begründete Nissen und betonte: „Ich war zu keinem Zeitpunkt Teil des Systems. Ich habe nie einen Cent von der Awo erhalten.“

Pürsün sagte am Mittwoch, die Kreisverbände Frankfurt und Wiesbaden hätten nach seiner Einschätzung eine sehr intransparente Konzernstruktur mit mehreren Tochterfirmen geschaffen. „Sowohl Zweck der Gesellschaften als auch Auswahl der Geschäftsführung sind sehr erklärungsbedürftig. Im Fall des Kollegen Taylan Burcu wird sich nun auch der Ältestenrat damit befassen“, sagte er.

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