Sprachlabor (96):Besonders eingefärbt

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SZ-Redakteur Hermann Unterstöger erörtert einen Dauerbrenner und ein Pseudonym.

DAS HOCH- RESPEKTIVE SCHRIFTDEUTSCHE ist unser Handwerkszeug, doch heißt das nicht, dass wir bei Bedarf nicht auf regionales Gerät zurückgriffen. Unser Leser K. rügt einen Kollegen dafür, dass er, gottlob nur fiktiv, "an das Auto des bösen Nachbarn bieselt": Bieseln sei ein Regionalismus, der einer überregionalen Zeitung nicht anstehe. Wie Herr K. richtig anmerkt, führen der Wahrig und andere Wörterbücher den in Bayern gängigen Ausdruck nicht. Das ist aber kein Grund, ihn nicht zu verwenden, wenn es dafür steht, wenn also beispielsweise ein Text sprachlich besonders eingefärbt werden soll. Im Übrigen passt bieseln auf den damit bezeichneten Vorgang ohnedies besser als das hart prasselnde Pieseln der Wörterbücher.

Das Foto zeigt einen Ausschnitt eines Manuskripts von Mark Twain. (Foto: AP)

DIE RÜCKBEZÜGLICHKEIT sieht unser Leser M. in Gefahr. In einem Bericht des Wirtschaftsteils über den früheren Ferrostaal-Chef Matthias Mitscherlich hatte es geheißen, dieser müsse "das Verfahren gegen ihn" nicht fürchten, eine Konstruktion, die auf das Reflexivpronomen verzichtet und eigentlich nur eine Frage nach sich ziehen kann: Und das Verfahren gegen sich, muss er wenigstens das fürchten?

ZU DEN DAUERBRENNERN der Leserkritik gehört der Ausdruck sich entschuldigen . Gegen ihn wird, und zwar oft mit unüberhörbarer Erbitterung, ins Feld geführt, man könne nur um Entschuldigung bitten, sich jedoch nicht aus eigener Macht entschuldigen. Nachfragen bei Grimm und Adelung führen indes zu einem anderen Ergebnis. In der Tat bedeutet entschuldigen zunächst von Schuld freisprechen , darüber hinaus wird es bei diesen Autoren aber auch in dem getadelten Sinn registriert, beispielsweise mit der Bibelstelle "Die Geladenen fingen an, sich zu entschuldigen" (Lk 14, 18). Dass um Entschuldigung bitten edler ist und schöner klingt als sich entschuldigen , bleibt davon allerdings unberührt.

NOCH EINMAL MARK TWAIN: Kürzlich haben wir uns darüber unterhalten, ob man aus diesem Pseudonym den an sich nicht existierenden Familiennamen Twain herleiten darf. Dazu erinnert Leser I. an die "Burleske Autobiographie", in der Twain allerlei kuriose Vorfahren nennt: Arthour Twain, Beau Twain, Ananias Twain sowie Pah-Go-To-Wah-Wah-Pukketekeewis (das heißt: Mächtiger Jäger mit dem Schweinsauge) Twain. Darf die Twain-Frage damit als geklärt gelten?

© SZ vom 19./20.02.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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