Sprachlabor (93):Arbeite bitte etwas genauer!

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SZ-Redakteur Hermann Unterstöger konfrontiert uns mit einem hiesigen Kompaktbegriff.

GEWISSENSERFORSCHUNGist ein mitunter deprimierendes Geschäft. Da freut es einen besonders, wenn man erfährt, dass auch andere Fehler machen, und am schönsten ist es, wenn es Lehrer sind, die ertappt werden. Im letzten Labor haben wir uns für einen recht großkalibrigen das/dass -Fehler selbst gegeißelt, was unseren Leser G. dazu bewog, uns ein Fundstück aus einer Grundschule im Würmtal zuzuspielen. Es handelt sich dabei um einen Benotungsbogen, worin einem Kind 11 Punkte attestiert wurden, also die Note 4. Darunter schrieb der Lehrer oder die Lehrerin: "Schade, dass kannst du besser! Arbeite bitte etwas genauer!" Die Antwort des Kindes müsste so ähnlich ausfallen wie die des kleinen Moritz, als der Lehrer sagte, dass der Mensch vom Affen abstamme: "Sie vielleicht, Herr Lehrer!" - Indessen holt uns der Ernst des Lebens wieder ein, denn unser Leser H. hat im Programmhinweis auf den "Besuch der alten Dame" einen Satz gelesen, der das das/dass -Problem auf seine Weise weiterschreibt: "Er lies sie einst schwanger sitzen." Man muss dazu sagen, dass es nicht unsere TV-Redaktion war, die das durchgehen ließ: Die Programme werden zugeliefert. Dass der Schnitzer dadurch nicht schöner wird, ist uns freilich klar.

Die undatierte Aufnahme zeigt den Fremdsprachenunterricht im Sprachlabor einer Schule in Frankfurt am Main. (Foto: ag.dpa)

NACH WEIHNACHTENist vor Weihnachten, und so sei denn jetzt schon die Frage aufgeworfen, mit der uns unsere Leserin B. konfrontiert: Heißt es "Heiliger Abend" oder "Heiligabend"? Unserem Gefühl nach ist das gehupft wie gesprungen respektive unter dem landsmannschaftlichen Gesichtspunkt zu bewerten, man vergleiche dazu auch das Brüderpaar Samstag und Sonnabend. Frau B. favorisiert die Bezeichnung Heiligabend ; man sage schließlich: "Ich fahre Heiligabend nach Hause." Dem wäre entgegenzuhalten, dass man in Altbayern wohl eher "am Heiling Ohmd" heimfährt. Dafür bleibt man, um einen hiesigen Kompaktbegriff zu gebrauchen, bis "Heiligdreikini".

ALS "AUFBLÄHUNG"empfindet Leser B. das dann und wann verwendete Wort "ansonsten". Man kann das so sehen. Man kann solche Wörter aber auch deswegen lieben, weil sie in ihrer Umständlichkeit für die Sprache das sein können, was Patina für eine alte Bronzefigur ist: eine schöne, leicht anrührende Zier. Was, lieber Herr B., sagen Sie anitzo dazu?

© SZ vom 22./23.1.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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