Sprachlabor (83):Canapé alias Kanapee

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SZ-Redakteur Hermann Unterstöger erklärt ein sinngleiches Verb und muss rekonstruieren.

HAT DER LESER immer recht? Im Prinzip ja, aber manchmal kann er sich auch vergreifen. Unsere Leserin W. zum Beispiel wusste vor Lachen kaum noch aus und ein, als sie im Kunstmarkt las, dass bei der "Biennale des Antiquaires" unter anderem die Reize eines "Hoppenhaupt-Canapés" ins Licht gerückt worden seien. Unter Canapés, wendet sie ein, verstehe man Häppchen, wie sie bei Empfängen herumgereicht werden, und wer sich da draufsetze, werde schon sehen, wie das ausgeht. Das ist richtig, doch ebenso richtig ist, dass das Canapé alias Kanapee, es sei nun von Hoppenhaupt oder sonst wem, ein Sitzmöbel ist. Im einem alten Lied heißt es dazu: "Die Seele schwinget sich / wohl in die Höh, juchhe! / Der Leib, der bleibet auf dem Kanapee", und wenn man unsere Tante Cilly fragte, wo der Onkel Heini sei, pflegte sie in schönstem Bairisch zu sagen: "Am Kanabä, wo sunst!"

Zwei Besucherinnen blättern in einem Brockhaus-Band. Die Brockhaus Enzyklopädie in 30 Bänden auf 24 500 Seiten umfasst rund 300 000 Stichwörter und etwa 40 000 Bilder, Satellitenaufnahmen, Grafiken und ganz- oder mehrseitige Bildtafeln. (Foto: AP)

ANDERERSEITS weist Frau W. auf etwas hin, das sie ganz und gar nicht zum Lachen findet, nämlich auf die unterschwellige Verdrängung des süddeutschen Verbs gehen durch das sinngleiche norddeutsche laufen . In einem Interview zum Trachten- und Schützenzug hieß es mit einer gewissen Penetranz, dass da Gruppen "laufen" beziehungsweise "mitlaufen", und wenn Frau W. daran denkt, dass die Norddeutschen für laufen gern springen sagen, sieht sie den Festzug auf keinem guten Weg.

"SCHLICHT ZUM HEULEN" findet Leser W. Pilsen, das heißt, natürlich nicht Pilsen als solches, sondern die in unserem Feuilleton gefundene Schilderung, wonach "die Stadt . . . international wegen seines Bieres bekannt ist". Fehler wie dieser laufen unter der Rubrik "Qualität hat seinen Preis" und sollen nicht beschönigt werden. Man kann allenfalls rekonstruieren, wie es dazu kommt. Die Basismeldung der dpa sprach von der "tschechischen Biermetropole Pilsen", doch schien das dem Bearbeiter wohl zu gedrängt zu sein. Also versetzte er sich im Geist nach Westböhmen und schrieb, dass Pilsen international wegen seines Bieres bekannt sei, wobei ihm in letzter Sekunde einfiel, dass Pilsen ja auch eine Stadt sei. Er fügte diese Information nachträglich ein, versäumte es aber, das Possessivpronomen entsprechend zu ändern: ihres statt seines Bieres . In Pilsen und drum herum würde man dazu möglicherweise "Na zdraví!" sagen: Prost!

© SZ vom 30./31.10.1/11.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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