Sprachlabor (71):Die Sprachgemeinschaft entscheidet anders

Lesezeit: 1 min

SZ-Redakteur Hermann Unterstöger zu Metaphern, Beugung und Ärger.

WENN WIR SCHON MAL gelobt werden, wollen wir das auch gebührend herausstellen. Leser B. findet es phantastisch, dass ein Kollege nicht nach allgemeiner Sitte bzw. Unsitte "atemberaubend" geschrieben habe, sondern "atemraubend", was einzig richtig sei und trotzdem nicht einmal mehr im Duden vorkomme. Leider hat sich die Sprachgemeinschaft anders entschieden, wie eine Internetsuche belegt, die für atemberaubend 442 000 Treffer bringt, für atemraubend jedoch nur 25 700. Man muss übrigens den Duden in Schutz nehmen. Dessen zehnbändige Ausgabe erwähnt atemraubend sehr wohl, zwar mit Hinweis auf atemberaubend als das HauptLemma, aber immerhin mit einem Zitat von Musil: "Arnheim erzählte zuweilen atemraubend interessant."

Fachbücher des Duden-Verlages stehen auf der Bildungsmesse didacta  in Köln im Regal. (Foto: ag.dpa)

ZU MEHR VORSICHT bei Metaphern aus den Naturwissenschaften rät Leser M., und in der Tat kann man daran zweifeln, ob Müller und Klose in Bloemfontein wirklich "die Gesetze der Physik aushebelten" oder ob sie nicht doch nur ein Tor zuwege brachten. Da unser Autor aber mal in Fahrt war, behauptete er gleich noch, dass der Ball bei dem nicht gegebenen Tor der Engländer "Galaxien hinter der Torlinie" aufgeschlagen sei. Herr M. gibt zu bedenken, dass schon eine einzige Galaxis 18 Trillionen Kilometer misst, mehr also, als selbst in größeren Toren unterzubringen wäre.

DAS EINFACHSTE ist auch in der Sprache oft das Schwerste, und das nur deswegen, weil man nicht zu schreiben wagt, wie einem der Schnabel gewachsen ist. Es würde keinem Menschen einfallen zu sagen, er sei gestern "in ,Die Zauberflöte'" gewesen, sondern er wird sagen, er sei "in der ,Zauberflöte'" gewesen, und so sollte man das in Gottes Namen auch hinschreiben. Die Grammatik lässt die Beugung solcher Namen und Titel nicht nur zu, sondern fordert sie sogar, und dennoch ist Leser H. bei uns auf die Mitteilung gestoßen, Jost Vacano habe "bei der ,Die unendliche Geschichte' die Kamera" geführt. Dass derlei nicht mehr vorkommt, darauf haben wir unseren Autor schwören lassen, und zwar bei der "Die Bibel".

NICHTS WIE ÄRGER mit dem Ärger: Kürzlich brach er sich bei uns "seinen Bann", ein Vorgang, den unser Leser E. wie gebahnt verfolgt hat.

© SZ vom 24./25.07.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: