Sprachlabor (66):Prädikat "launisch"

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SZ-Redakteur Hermann Unterstöger zerstreut eine Sorge und klärt Ungediente auf.

SCHUBERTS FORELLE scheint ihrem Wesen nach so durchsichtig zu sein wie das "Bächlein helle", das sie "in froher Eil'" durchschneidet: munter bis zum bitteren Ende. Irritierend ist allenfalls, dass der Textdichter D. Fr. Schubart ihr gleich zu Beginn des Liedes das Prädikat "launisch" verleiht. Nach heutigem Verständnis dieses Wortes denkt man, die Forelle sei wechselnden Stimmungen unterworfen oder gar von übler Laune beherrscht - eine nach allem, was man über das Seelenleben der Fische weiß, schwer haltbare Einschätzung. Das Seelenleben der Kreditmärkte ist zwar noch weniger erforscht als das der Fische, aber dass sie "launig" seien, will Leser B. unserem Wirtschaftsteil denn doch nicht abnehmen. In Goethes Lustspiel "Die Wette" kommt eine Leonore vor, die sich - "O, welche Pein!" - vom Geliebten versetzt fühlt; von ihr heißt es, sie sei "ein edles bescheidenes Mädchen, nur etwas launig", was in diesem Zusammenhang bedeutet, dass sie alles andere als bei Laune oder gar humorvoll beziehungsweise witzig ist. Man tritt den Kreditmärkten nicht zu nahe, wenn man sie für höchst launisch hält. Ein Fischer, der sie an die Angel bekäme, ist weit und breit nicht zu sehen.

Der Duden, aufgenommen in München. Er wurde am 7. Juli 2005 125 Jahre alt. Das meistgebrauchte Nachschlagewerk für die deutsche Sprachpraxis erschien erstmals am 7. Juli 1880 in Leipzig. (Foto: ag.ddp)

STORMS SCHIMMELREITER hat wie Schuberts Forelle mit dem Wasser zu tun, wenn auch auf andere Weise. Bei uns hieß es über ihn, er suche "in der Sorge, dass der Deich hält, nach Schwachstellen", und darüber wiederum geriet unser Leser v. C. mächtig in Sorge. Seinem Gefühl nach geht Hauke Haiens Sorge ganz im Gegenteil dahin, dass der Deich nicht hält oder, anders gesagt, ob der Deich hält. Eine Umfrage unter den uns bekannten Deichgrafen, Deichvögten, Deichgeschworenen, Deichrichtern und Deichhauptmännern ergab, dass ihn dieses Gefühl nicht trügt.

DA BEI UNS auch "Ungediente" schreiben, sind wir im militärischen Wortschatz manchmal unsicher. Unser Leser F., Oberstleutnant immerhin, weist darauf hin, dass man, wenn ein Soldat nicht gehorchen will, von Gehorsams- und nicht von Befehlsverweigerung spricht. Der allgemeine Sprachgebrauch hält sich daran kaum. Nichtsdestoweniger: Aye, aye, Sir - oder wie immer man beim Militär in solchen Fällen sagt.

© SZ vom 12./13.06.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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