Sprachlabor (63):Ein Feld der Unsicherheit

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SZ-Redakteur Hermann Unterstöger klärt über die Sperrstunde auf.

WER DA WEM SEIN TOD ist, steht noch in der Sternen: der Dativ dem Genitiv seiner oder umgekehrt. Sicher ist nur, dass sich zwischen beiden Kasus ein recht geräumiges Feld der Unsicherheit ausbreitet, beispielsweise wenn jemand "nahe dem Fluss" schreiben will und dann doch, um nur ja auf der vermeintlich sicheren Seite zu sein, "nahe des Flusses" schreibt. Ein Sonderfall dieser Phobie ist der Unwille, konsequent bei dem einmal als richtig erkannten Fall zu bleiben. In dem Bericht über ein Domizil für Versuchsaffen hieß es, der Besuch dort sei "mit Hilfe des Tierschützers Michael Aufhauser und seinem Tierrettungsgut Aiderbichl" arrangiert worden, und nicht nur Leser B. fragt sich, aufgrund welcher Hemmung dem Tierrettungsgut der ihm zustehende Genitiv vorenthalten wurde. Mit Hilfe der Grammatik und ihrem Regelwerk wäre das nicht passiert.

Der Band "Zitate und Aussprüche'"aus der Duden-Standardreihe. (Foto: ag.dpa)

DIE SPERRSTUNDE, auch Sperrzeit oder Polizeistunde genannt, hasst nicht nur der Zecher, der sich gern noch einen weiteren Absacker genehmigen würde, dessen ungeachtet aber vor die Tür gesetzt wird. Auch Sprachfreunde wie unser Leser H., vormals Lehrer und jetzt Hotelier, haben ihr Problem mit dieser Institution, vornehmlich dann, wenn es in der Zeitung heißt, Innenminister Joachim Herrmann wolle die Sperrzeit verkürzen. In Adelungs Wörterbuch läuft die Sperrzeit als "diejenige Zeit, da die Thore einer Stadt gewöhnlich gesperret werden", und so einen Zeitpunkt kann man ohnedies weder verkürzen noch verlängern, sondern allenfalls nach vorn oder hinten verschieben. Da freilich der Terminus Sperrzeit auch für den Zeitraum gilt, während dessen ein Lokal geschlossen hat, kann man von Verlängern oder Verkürzen sehr wohl sprechen, nur muss das sinnvoll geschehen, und bei einem wie Innenminister Herrmann kann man eine Runde Reise-Achterl drauf verwetten, dass er die Sperrzeit nicht verkürzen, sondern verlängern will.

© SZ vom 22./23./24.05.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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