Sprachlabor (60):Der seltene Aschenfister

Lesezeit: 1 min

SZ-Redakteur Hermann Unterstöger denkt über Geschlechter und einem unseligen Sprachgebrauch nach.

DAS MÖGEN WIR: Fragen, auf die es keine Antworten gibt! Unser Leser S. will wissen, warum nach dem Ausbruch des Eyjafjallajökull jedermann von einer Aschewolke schrieb, wo doch alle anderen Asche -Komposita von einem "n" zusammengehalten würden: Aschenbecher, Aschenputtel, Aschentonne und so fort. Der statistische Befund gibt Herrn S. recht. Google bringt für Aschewolke 2 260 000 Einträge, für Aschenwolke hingegen nur 165 000 (Stand am 29. April), und auch bei uns im Blatt hatte die Aschenwolke so gut wie keine Chance: drei Erwähnungen.Das Grimmsche Wörterbuch führt eine Menge von Aschen -Wörtern, darunter den wirklich seltenen Aschenfister , was soviel wie Schmutzfink bedeutet. Nach den Gesetzen der Wortbildungslehre wäre das Fugenelement "n" bindend, weil die erste Konstituente der ominösen Wolke, die Asche, ein auf "e" endendes Femininum ist. Beispiele dazu: Taubenschlag, Budenzauber, Modenschau , wobei ja schon der Liebestrank wieder aus der Reihe springt. Interessant ist in diesem Kontext der Unterschied zwischen Spitzenfilm und Spitzbauch , welch Letzterer allerdings mit dem Adjektiv spitz gebildet wird. Wäre das Substantiv Spitze mit im Spiel, würde aus ihm ein Spitzenbauch , der dann freilich nicht notwendigerweise spitz sein müsste. Dies in Kürze und zur Wiedervorlage beim nächsten Vulkanausbruch.

Eine junge Frau schlägt im neuen Duden ein Wort nach. (Foto: ag.dpa)

HÖCHST VERTRACKT auch die Aussage, "dass die jungen Frauen ihren männlichen Geschlechtsgenossen bei Bildung und Ehrgeiz längst den Rang ablaufen". Unser Leser Dr. Sch. hat im Wörterbuch nachgeschaut und für den Geschlechtsgenossen herausgefunden, dass er ein Mann ist, der dasselbe Geschlecht hat wie ein anderer Mann. "Wie", fährt er mit einiger Süffisanz fort, "kann dann aber eine Frau (auch wenn sie jung ist) einen männlichen Geschlechtsgenossen haben? Doch nur dann, wenn sie keine Frau, sondern ein Mann ist." So wird's wohl sein.

SO TODTRAURIG es in der Sache ist, so wenig kann man übergehen, was Leser Sch. moniert. Er hält es für "unseligen Sprachgebrauch", im Fall der ermordeten Ursula H. immer wieder hyperkorrekt von der "damals Zehnjährigen" zu schreiben, was zwingend zu der Frage führe, wie alt das Mädchen denn heute sei.

© SZ vom 30.4./1./2.5.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: