Sprachlabor (51):Manchmal kommt es zu Qualkonstruktionen

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SZ-Redakteur Hermann Unterstöger erklärt "spartanisch eingerichtet" so.

SCHON ALS VW zum Jubiläum den Werbeslogan "60 Jahre Wertigkeit" ausgab, fragten sich viele, was das eigentlich sei, die Wertigkeit. Noch komplizierter scheint es zu werden, wenn die Satzwertigkeit ihr Haupt erhebt. Dabei ist vergleichsweise leicht zu erklären, wofür satzwertig steht: für Wortgruppen im Satz, die formal keine Sätze sind, weil ihnen das finite Verb fehlt, die aber leicht zu Nebensätzen umgebaut werden können. Beispiel: Vom Phänomen der Satzwertigkeit geblendet, nahm Balduin Reißaus (Da er vom Phänomen der Satzwertigkeit geblendet wurde, nahm Balduin Reißaus). Für satzwertige Partizipialgruppen gilt, dass ihr unausgedrücktes Subjekt - im Beispiel: er - mit dem Subjekt des übergeordneten Satzes - Balduin - identisch ist. Fehlt diese Identität, kommt es zu Qualkonstruktionen wie dieser, die hier gekürzt wiedergegeben sei: "Ausgekühlt von einer Winterwanderung, dauert es geraume Zeit, bis die heiße Suppe von innen heraus wärmen kann." Wer ist da ausgekühlt: es, die Zeit, die Suppe? Unser Leser K. hat sich daran abgearbeitet, und er war danach so erhitzt, dass er den Rat gab, heiße Suppen generell nicht auf Winterwanderungen zu schicken. Darin mit ihm einer Meinung, kann dieses Kapitel für heute abgeschlossen werden.

Die undatierte Aufnahme zeigt den Fremdsprachenunterricht im Sprachlabor einer Schule in Frankfurt am Main. (Foto: ag.dpa)

POST-VORSTAND JÜRGEN GERDES sieht nicht aus wie ein Spartaner, aber unter einem Bild von ihm stand kürzlich zu lesen, dass sein Büro "spartanisch möbliert" sei. Dagegen legt Leser B.-F. Widerspruch ein, und zwar unter Verweis auf das Sitzmöbel, in dem Gerdes für das Foto Platz genommen hatte. Das sei nichts Geringeres als ein Corbusier von Cassina, ein Sessel also, dem nachgesagt wird, dass er seiner klaren Gestalt wegen im Wandel von Zeit und Raum seinen Sinn behält respektive neu gewinnt. In Sparta wäre man mit so einem Sessel zumindest ins Gerede gekommen, und wenn man eruiert, was er kostet, kann bei Gerdes' Sessel von spartanisch im Sinn von karg keine Rede sein. Allenfalls im Sinn von auf das Nötigste beschränkt (Duden) wäre das Attribut vertretbar, doch müsste dafür erst nachgewiesen werden, dass der Corbusier für Gerdes wirklich das Nötigste ist. Leser B.-F. schlägt minimalistisch vor, was seiner Bedeutungsvielfalt wegen freilich auch riskant ist. ( In einem niederbayerischen Postamt wurde der Chef einmal dadurch auffällig, dass er sich einen riesigen Ledersessel beschaffte. Man nannte ihn von da an nur noch "Ledersessel", und seine Autorität sank rapide: "Sepp, du sollst sofort zum Ledersessel kemma!" - "I? Zum Ledersessel? Dees hat Zeit.")

© 30./31.1.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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