Sprachlabor (49):Es geht um die Floskel "regelrecht hingerichtet"

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SZ-Redakteur Hermann Unterstöger geht es um die Vermischung zweier Wortsorten und wann das neue Jahrzehnt beginnt.

DER PLAUDERTON, in dem sich Kolumnen wie diese am sichersten bewegen, eignet sich nicht für jedes Thema und schon gar nicht für das, auf das uns unser Leser E. dieser Tage gestoßen hat. Es geht ihm um die Floskel regelrecht hingerichtet, die sich nicht nur bei uns im Blatt oft und oft findet und mit der fast immer eine Tat bezeichnet wird, die alles Mögliche ist, nur keine regelrechte Hinrichtung. So gut wie immer handelt es sich dabei um grausige Morde, und wenn der Eindruck nicht trügt, soll durch die Redewendung regelrecht hingerichtet entweder die außerordentliche Rohheit oder die, mit Verlaub, hohe Professionalität der Mörder herausgestrichen werden. Nun war ja das amtliche Befördern vom Leben zum Tod wirklich keine Sache für Amateure, mag sich gleich der eine oder andere Henker dabei manchmal so unbeholfen angestellt haben, dass selbst der Delinquent ihn zu mehr handwerklicher Sorgfalt ermahnen musste. Immer aber hatte die Hinrichtung einen Urteilsspruch zur Grundlage, der das Geschehen legitimierte, und schon aus diesem Grund sollte man gemeinen Morden den Titel regelrechte Hinrichtung vorenthalten.

Die undatierte Aufnahme zeigt den Fremdsprachenunterricht im Sprachlabor einer Schule in Frankfurt am Main. (Foto: ag.dpa)

VOR ZWEI WOCHEN ging es hier unter anderem um den Unterschied zwischen dem Verb haben im Sinn von besitzen und dem Hilfszeitwort haben. Als wollte er uns über unsere Fehlbarkeit hinwegtrösten, steuerte Leser V. daraufhin ein Klassikerzitat bei, das ebenfalls an der Vermischung dieser zwei Wortsorten krankt, nämlich Schillers "Ich habe gemordet, Kardinal, und keine Ruhe" aus dem "Don Carlos". Herr V. hat unseren Dank, aber sich vielleicht doch geirrt. Bei Schiller heißt es nämlich: "Ich habe gemordet, Kardinal, und keine Ruhe - ", und diesen Gedankenstrich könnte man immerhin so auslegen, als habe König Philipp sagen wollen: " . . . und keine Ruhe ist mir beschieden, eh ich nicht gebeichtet." Oder so ähnlich. Unverzeihlich vom Großinquisitor, dass er ihn genau an dieser Stelle unterbrach.

LESER DR. V. ist beileibe nicht der Einzige, der seit Silvester/Neujahr daran erinnert hat, dass das neue Jahrzehnt erst am 1. Januar 2011 zu feiern ist. Da er aber hinzufügte, sein Hinweis klinge möglicherweise freudlos und - alles mal herhören! - "drießhüßchensjenau", sei der Kasus nochmal festgehalten. Ende Dezember werden wir, so Gott will, drießhüßchensjenau darauf zurückkommen.

© 16./17.1.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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