Sprachlabor (265):"Auf der Trage getragen"

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Münchens Javier Martinez wird bei dem Supercup-Spiel Borussia Dortmund gegen FC Bayern München verletzt am 13.08.2014 im Signal Iduna Park in Dortmund (Nordrhein-Westfalen) vom Platz getragen. (Foto: dpa)

SZ-Redakteur Hermann Unterstöger zeigt eine Sonderregelung auf und hat Spaß an einem Buchstabendreher.

DASS JAVIER MARTÍNEZ beim Spiel der Borussen gegen die Bayern einen Kreuzbandriss erlitt, ist schon hart genug. Was unseren Leser Sch. aber völlig aus der Fassung brachte, ist der Umstand, dass der Mann "auf einer Bahre" weggetragen wurde. So schlimm stand es um Martinez aber nicht, wahrscheinlich wollte unser Reporter nur den Gleichklang "auf einer Trage getragen" vermeiden. Nichtsdestoweniger sollten Trage und Bahre auch in der Kammer der Sprache getrennt aufbewahrt werden, nicht dass wir eines Tages die Standesamtsnachrichten im Heimatblatt unter der Rubrik "Von der Wiege bis zur Trage" lesen müssen.

WIE VIELE OPFER haben wir, wenn die Hamas "Soldaten" entführt beziehungsweise, wie man wohl richtig sagen müsste, gefangen nimmt? In dem jüngst gemeldeten Fall war es ein Soldat, weswegen unser Leser M. zu Recht darauf hinwies, dass der an sich korrekte Akkusativ Soldaten hier in die Irre führe. Dazu bietet die Grammatik die Sonderregelung, wonach auf die Beugungsform verzichtet wird, wenn dadurch eine Unschärfe entsteht. Statt die Kluft zwischen Fürsten und Volk schreibt man also - bei nur einem Fürsten - die Kluft zwischen Fürst und Volk . Es sei in diesem Zusammenhang an die Frau erinnert, die vor etwa 20 Jahren von einem Löwen getötet wurde. In dem Dilemma, ob sie von Löwe oder von Löwen schreiben sollte, entschied sich die Agentur für von Löwem .

ZU DEN KLEINEN, aber intensiven Freuden der Sprachbeobachtung gehören die Buchstabendreher. Auch die Wissenschaft hat ihren Spaß daran und zieht aus ihnen den gelehrten Schluss, dass die Wortkognition unter Buchstabendrehern kaum leidet, "wiel wir nciht jeedn Bstachuebn enzelin leesn, snderon das Wrot als gseatems" (entdeckt bei wort-suchen.de). Eine Münchner Germanistin, die dieser Kolumne herzlich verbunden ist, pflegt ihre Mails mit "Grüne Schöße" und ähnlichen Floskeln zu beenden, Scherzen also, die übers banale Buchstabenverdrehen weit hinausgehen. Ein schönes Beispiel dafür, wie aus nur zwei verdrehten Buchstaben ein neues und beinahe irritierendes Wortgebilde entsteht, fand unser Leser Dr. B. in einem Bericht, in dem von "fünftsündigen Verhandlungen" die Rede war. Seither geht er mit sich zu Rate und fragt sich, ob die Bilanz seiner Verfehlungen außer Erst-, Zweit- und Dritt- womöglich auch Fünftsünden enthält.

© SZ vom 30./31.08.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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