Sprachlabor (240):Bitte korrekt bezeichnen!

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Eine Ehrenwache steht im Bendlerblock in Berlin vor einem Kranz für die Ermordeten des Widerstands gegen die nationalsozialistische Gewaltherrschaft. An dieser Stelle war unter anderen Claus Schenk Graf von Stauffenberg in der Nacht zum 21. Juli 1944 nach dem missglückten Attentat auf Hitler standrechtlich erschossen worden. (Foto: ddp)

SZ-Redakteur Hermann Unterstöger schaut ins Pressearchiv und billigt nicht alles.

AUCH SCHLIMME DINGE müssen korrekt bezeichnet werden, und so sei denn, einem Tipp unseres Lesers W. folgend, daran erinnert, dass zwischen standrechtlich und standesrechtlich ein gravierender Unterschied besteht. Anlass für Herrn W.s Zwischenruf war eine bei uns erfolgte "standesrechtliche Erschießung". Zu ihr ist zu sagen, dass es sich beim Standesrecht um die Summe der Regelungen handelt, die für Angehörige bestimmter Berufe gelten und deren berufsständiges Ethos widerspiegeln, während das Standrecht das im Krieg geübte Recht ist, über bestimmte Vergehen in einem abgekürzten Verfahren zu urteilen.

DA WIR SCHON MAL DABEI SIND: Einen kategorisch auffordernden Brief schickt uns Leser St., des Inhalts, dass Parteimitglieder künftig nicht mehr Parteigenossen genannt werden sollten. In der SPD etwa gebe es viele Genossen, und sie seien auch in einer Partei zusammengeschlossen. Parteigenossen seien sie deswegen noch lange nicht, da dieser Titel aus der Historie heraus den Mitgliedern der NSDAP vorbehalten sei. Ein Blick ins Pressearchiv zeigt freilich, dass der Sinn für diese Unterscheidung schwindet. Insbesondere bei der lustigen Steigerung "Feind, Todfeind, Parteifreund" wird der Parteifreund hin und wieder durch den Parteigenossen ersetzt.

HIN- UND HERGERISSEN war Herr R., als er bei uns las, dass die US-Armee einerseits geschrumpft werden solle und andererseits schrumpfen müsse. "Wer", fragte er, "schrumpft hier eigentlich und, wenn ja, wen?" Nach landläufiger Auffassung ist schrumpfen ein intransitives Verb, kann also kein Akkusativobjekt nach sich ziehen: Der Vorrat schrumpft , aber nicht: Viele Esser schrumpfen den Vorrat. In den letzten Jahren hat indessen die transitive Verwendung stark um sich gegriffen, was nicht heißt, dass sie auch allgemein gebilligt würde: Der Spiegel erhielt für die Überschrift "De Maizière schrumpft die Bundeswehr" einmal den Klassenbucheintrag, dass sein Deutsch auch immer prolliger werde. Die Transitivierung von schrumpfen ist dem englischen Verb shrink zuzuschreiben, das auch transitiv gebraucht wird und das durch den Film "Honey, I shrunk the audience" populär wurde. In Schillers "Räubern" übrigens wähnt Amalia ihren Karl Moor in feindlicher Fremde, wo ihm unter anderem dieses widerfährt: "Nordischer Schnee schrumpft seine Sohlen zusammen . . ."

© SZ vom 08/09.03.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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