Sprachlabor (238):Vier Arten der deutschen Sprachlehre

Lesezeit: 1 min

Modelleisenbahnfiguren von Arbeitern machen sich an dem Wort "Rechtschreibung" zu schaffen. (Foto: dpa/dpaweb)

SZ-Redakteur Hermann Unterstöger und die Qualtität.

DEN "SAUSELAUT" teilt Johann Christoph Adelung in seiner deutschen Sprachlehre in vier Arten, "je nachdem er mit einem schwachen oder starken Druck des Mundes hervor gebracht wird". Man darf wohl annehmen, dass der in dem Wortpaar Geisel/Geißel enthaltene Sauselaut von Mund zu Mund unterschiedlich gestaltet wird. Daraus wiederum resultiert jene nicht seltene Rechtschreibschwäche, die jetzt bei uns zu der von etlichen Lesern bespöttelten Geißelhaft geführt hat. Bei Grimm wird sowohl die Geisel gleich Bürge als auch die Geisel gleich Peitsche mit "s" geschrieben; von der "schreibung geiszel " heißt es dort, die habe "gar keinen grund". Das sieht man heute anders, und sei es nur der leichteren Unterscheidung halber. Wir merken uns: Geisel kommt von ahd. gīsal , Geißel hingegen von ahd. geisila.

DER MEIST MIT ERHOBENEM Zeigefinger skandierte Merksatz "Qualität hat seinen Preis" müsste eigentlich für Zeit und Ewigkeit der falschen Kongruenz bei Possessivpronomina den Garaus gemacht haben. Hat er aber nicht. Erst kürzlich hieß es bei uns, dass die neue Offenheit des ADAC "seine Grenzen" habe. Leser E. winkt dazu mit dem Zaunpfahl. "Auch die Grammatik", sagt er, "hat seine Grenzen."

IM ZUSAMMENHANG mit der Gesundheitsreform des amerikanischen Präsidenten Barack Obama tauchte unlängst der Begriff "Verhängnisverhütung" auf, der unseren Leser Dr. G. zu ein paar launigen Tiraden ermunterte. Wie es zu der Rarität kam, lässt sich nicht mehr klären. Möglich wäre eine hinter- oder untergründige Mitarbeit Erich Kästners, von dem dieses Epigramm stammt: "Das ist das Verhängnis: / zwischen Empfängnis / und Leichenbegängnis / nichts als Bedrängnis."

IN EINER REZENSION fand Leserin B. den Terminus "Uneigentlichkeit", der ihr spanisch vorkam, und ferner die Behauptung, dass der Schriftsteller Uwe Johnson "unumgänglich" gewesen sei. Gemeint war damit, dass er nicht umgänglich war. Ob er wirklich unumgänglich ist, muss die Zukunft zeigen. Der Begriff der Uneigentlichkeit weist über den Rahmen dieser Kolumne deutlich hinaus. Man glaubt zu ahnen, was damit gemeint ist, doch wer ihm hinterhergoogelt, sieht sich alsbald mit Definitionen wie der konfrontiert, dass die Uneigentlichkeit im alltäglichen Dasein die Erschlossenheit des In-der-Welt-Seins in der Weise des Verfallens bildet. Lassen wir's für heute damit bewenden.

© SZ vom 22./23.02.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: