Sprachlabor (237):Bitte in den Zeugenstand!

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Dortmund-Fans zeigen ein Transparent mit einer Imitation der Meisterschale und der Aufschrift "Nur gucken - nicht anfassen" in Richtung der Schalker Fans (Foto vom Spiel Borussia Dortmund - FC Schalke 04 am 12.05.2007) im Signal Iduna Park in Dortmund. (Foto: dpa)

SZ-Redakteur Hermann Unterstöger schmunzelt über Adelstitel und löst ein Quiz auf.

WENN EIN LESER den großen italienischen Dichter und Philosophen Dante Alighieri in den Zeugenstand ruft, ist höchste Aufmerksamkeit geboten. Unser Leser M. ist so frei. Es geht ihm um nichts Geringeres als um die Frage, wie sich die Verben gucken und schauen zueinander verhalten. Dante wird herbeigezogen, weil er gefordert haben soll, dass man sich im Hochitalienischen nur der schönsten Wörter bedienen dürfe, und Herr M. wendet das auf die deutsche Sprache so an, dass schauen ein sehr schönes Wort sei, wohingegen gucken der vulgären Sphäre angehöre. Das ist ein hartes und in dieser Form wohl kaum haltbares Argument, aber dass gucken etwas anderes bedeutet als schauen, sieht man schon daran, dass man sie nicht beliebig austauschen kann. "Zum Sehen geboren, zum Gucken bestellt", nein, das geht nicht. Dem Gucken mangelt es an der Weite, Dauer und Intensität des Schauens, dafür hat es etwas Heiteres, Kindliches und Vorwitziges an sich, das jenem fehlt. Als Belege dafür lassen sich Begriffe wie Guckinsland, Topfgucker oder Hans Guck-in-die-Luft anführen, die ihrerseits auch an Zauber verlören, wenn sie mit schauen gebildet würden. Topfschauer? Das klingt ja nach Wahrsagen aus dem Suppentopf.

SELBST WENN WIR NICHT WISSEN, was ein Großfürst, ein Großgebietiger oder ein Großmufti ist, neigen wir dazu, solchen Titeln etwas Kauziges abzuhören. In diese Sphäre gehört auch der Titel "Großherzog". Man schmunzelt, vielleicht weil man sich an Offenbachs "Großherzogin von Gerolstein" erinnert, in der ein General Bumm ein Lied mit dem Titel "Piff, paff, puff" singt. Ob unser Leser K. das ebenfalls lustig findet, sei dahingestellt. Nicht lustig findet er es, und zwar als Luxemburger, wenn sein Heimatland bei uns als Herzogtum geführt wird, obwohl es doch ein Großherzogtum ist. Es sei festgehalten: 1815, beim Wiener Kongress, wurde Luxemburg zum Großherzogtum erhoben und hat sich, anders als die anderen Großherzogtümer -Baden etwa, Hessen-Darmstadt oder Mecklenburg-Strelitz - diesen Rang erhalten können.

BEI EINEM TV-QUIZ ginge es durch, wenn man auf die Frage, wer Pyramus' Geliebte gewesen sei, "Thysbe" sagen würde. Leser K. findet, dass die treue Seele in einem Blatt wie der SZ aber "Thisbe" heißen müsse. Recht hat er, wir sind schließlich keine Shakespeare-Übersetzung von 1825, worin Pyramus sagt: "Düfte düften schön! / So auch dein Athem, theure Thysbe mein!"

© SZ vom 15./16.02.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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