Sprachlabor (219):Auf jeden Fall keine Musikkapelle

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Kreuze lehnen im äußeren Umgang der Gnadenkapelle in Altötting. (Foto: ddp)

SZ-Redakteur Hermann Unterstöger erklärt einige fast außerirdische Fragen.

KNABENKAPELLEN gibt es in Nördlingen und Dinkelsbühl, in Dachau und Auerbach. Die Knabenkapelle, die ein Kollege unlängst in Altötting vermutete, heißt jedoch "Gnadenkapelle" und ist, wie Leser A. weiß, keine Musikkapelle, sondern eine Wallfahrtskirche. Ein früherer Autor nannte sie "die offtgemelte finstere vralte heylige Capel vnser lieben Frawen auff der grünen Matten", wobei Letzteres keine Isomatte oder so etwas ist, sondern eine Wiese.

WAS SICH IN DIESER GNADENKAPELLE ereignet, zählt man zu den überirdischen Phänomenen. Das Wort überirdisch hat Zeiten erlebt, da es als Pendant zu unterirdisch verwendet wurde, also im Sinn unseres heutigen oberirdisch . Da hat im Lauf der Zeit eine Klärung stattgefunden, mit dem Ergebnis, dass oberirdisch das auf der Erdoberfläche Befindliche meint, wohingegen mit überirdisch das Himmlische, Jenseitige bezeichnet wird. Als bei uns wieder einmal "überirdische Schachtanlagen" auftauchten, stellte unsere Leserin F. die fast außerirdische Frage, ob dort die Engel jenes Erz abbauen, aus dem dann Erzengel gegossen werden. Laut Rilke haben alle Engel, die Erzengel eingeschlossen, "müde Münde / und helle Seelen ohne Saum". Sie sind also wohl doch nicht aus Erz.

DAS STREIFLICHT beschäftigte sich leicht spöttisch mit dem fehlerhaften Brief, den Malu Dreyer an Angela Merkel geschrieben hatte, und lieferte damit einen Beleg für das Sprichwort, dass, wer im Glashaus sitzt, nicht mit Steinen werfen sollte. Einige Leser konfrontierten uns mit Gebilden wie "zwei Menschen wurde [. . .] getötet" oder "neben Verkaufsklassiker wie Getränke, Süßwaren und Tabakartikel", und einer von ihnen beendete seinen Brief mit dem Seufzer: "Hätte die Autoren vorher mal das Streiflicht gelesen . . ."

DIE VERSUCHUNG, statt "seit den Anschlägen vom 11. September 2001" einfach "seit 9/11" zu schreiben, ist ohnedies schon riesengroß, und sie wächst in dem Maß, wie das Ereignis selbst durch die englisch bündige Datumsangabe nine eleven verdrängt wird. Wie es aussieht, hat sich 9/11 unter die großen Geschichtskürzel eingereiht und spielt in einer Liga mit "3-3-3, bei Issos Keilerei", den "Iden des März" und der "Bartholomäusnacht". Dass dies 9/11, das es bei Google mittlerweile auf 250 Millionen Treffer bringt, nicht jedermann zusagt, versteht sich. Unser Leser R. beispielsweise findet es so albern, wie wenn der Name Zuckerberg als "Saggabörg" ausgesprochen wird, und er schreibt uns das am Tag der Einheit - "an 10/3", wie er selbst es formuliert.

© SZ vom 19./20.10.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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