Sprachlabor (210):Alles über Bremsen

Lesezeit: 1 min

Notbremsen sind in der Münchner U-Bahn nicht nur in den Zügen, sondern auch auf dem Bahnsteig angebracht. (Foto: dpa/dpaweb)

SZ-Redakteur Hermann Unterstöger präsentiert nackte Datumsangaben und Unzulässigkeiten.

AN KOMPOSITA MIT "BREMSE" hat es keinen Mangel, doch muss man bei jedem einzelnen von ihnen genau hinsehen, was sie bedeuten. Die Fußbremse gehört einer anderen Sphäre an als die Notbremse , und was nun gar die Pferdebremse angeht, so hat sie mit der Westinghousebremse oder der Totmannbremse nichts zu schaffen. Unser Leser E. stößt sich an dem vielfach verwendeten Terminus Schuldenbremse , der nun auch den Weg in den Duden gefunden hat. Seiner Ansicht nach sind Schulden ein Zustand, können also nicht gebremst werden, weswegen es vernünftiger wäre, von Verschuldungsbremse zu sprechen und zu schreiben. Da hat Herr E. prinzipiell recht. Bezeichnenderweise setzt auch der Finanzminister in seinem "Kompendium zur Verschuldungsregel des Bundes" die Schuldenbremse in Gänsefüßchen und charakterisiert sie zudem als "so genannt". Prinzipien sind das eine, die Praxis das andere. Im Alltag hat sich die handlichere Schuldenbremse durchgesetzt, und wenn man sie so verstünde, dass durch den Bremsvorgang weitere Schulden verhindert werden, wäre sie so falsch auch wieder nicht. So oder so dürfte sie unter allen Bremsvorgängen den längsten Bremsweg haben.

FÜR ÜBERFLÜSSIG hält Leserin Dr. B. die Information, dass etwas "im vergangenen April" geschehen ist, wenn das der April 2013 war, und ebenso wenig will sie vom "kommenden September" hören, wenn es sich um den September 2013 handelt. Prinzipiell hat auch sie recht, doch macht auch in diesen Fällen das Leben seine unorthodoxen Rechte geltend. Der Zuhörer oder Leser hat es nämlich ganz gern, wenn ihm nackte Datumsangaben so präsentiert werden, dass sie sich sofort in sein ohnedies oft schwankendes Zeitgefühl einfügen. Unter diesem ebenso menschenfreundlichen wie praktischen Aspekt kann man solche Krücken vielleicht gelten lassen.

ALFRED PRINGSHEIM wurde bei uns als "Münchner Honoratior" bezeichnet, was bei Leserin Sch. die Frage weckte, ob man von einem Pluraletantum einen Singular ableiten dürfe. Üblicherweise ist das nicht zulässig, zu den Ferien etwa gibt es keine Ferie und zu den Masern keine Maser . Bei den Honoratioren verhält es sich nach Auskunft der meisten Wörterbücher genauso. Grimms Wörterbuch zum Beispiel definiert die Honoratioren so: "plur. die höheren schichten eines bürgerlichen gemeinwesens in gesellschaftlicher beziehung." Der Große Duden hingegen lässt den Honoratior gelten und stützt sich dabei auf den Spiegel , der einem Faust einmal "die Leibesfülle eines Honoratioren" attestiert hatte.

© SZ vom 03./04.08.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: