Sprachlabor (207):Floskeln mit viel Charme

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Die Süddeutsche Zeitung (SZ) wird im Süddeutschen Verlag in München verlegt. Sie ist die größte überregionale Abonnement-Tageszeitung Deutschlands. Die erste Ausgabe erschien am Samstag, dem 6. Oktober 1945. (Foto: AP)

SZ-Redakteur Hermann Unterstöger steigt aus Fallgruben und erklärt französische Begriffe.

DEN GRÖSSTEN SCHRECK seit Bestehen des "Labors" jagte uns Leser B. ein, als er ein paar statistische Aufschlüsse beibrachte, darunter diesen: "17 350 Suchergebnisse für der reihe nach am 30.06.2013 in der SZ." Das konnte nur so verstanden werden, als sei in der SZ vom 30. Juni mehr als siebzehntausendmal die Floskel "der Reihe nach" vorgekommen - eine Dichte, die an sich schon schwer vorstellbar ist, noch schwerer aber an einem Tag wie dem 30. Juni, an dem, weil es ein Sonntag war, überhaupt keine SZ erschien. Wir haben daraufhin eine Gegenstatistik erarbeitet. Ihr zufolge ist "der Reihe nach" bei uns in den letzten zehn Jahren 635-mal vorgekommen und da vielleicht nur 150-mal in dem Sinn, der unserem Leser entsetzlich auf den Geist geht. Herr B. bezieht sich auf einen Artikel, in dem eine 52 Jahre alte Geschichte noch einmal aufgerollt wurde, wobei der Autor diese Rekapitulation mit "Der Reihe nach" begann. Wendungen dieser Sorte kennt man aus Reden. Sie haben etwas Selbstreferenzielles, weil der Text über sich selbst etwas aussagt, nämlich wie er weiterzugehen gedenkt: chronologisch. In der gesprochenen Rede können solche Floskeln viel Charme entfalten. In geschriebenen Texten laufen sie Gefahr, zu wichtigtuerischen Manierismen zu verkommen.

MAN STÜRZT SCHON im Deutschen oft in Fallgruben, um wie viel öfter in Fremdsprachen. Das muss gar nicht so krass zugehen wie bei jenem Menschen, der auf Französisch "Was für ein Heini!" sagen wollte und "Quel Henri!" sagte. Meistens reicht schon ein "Falscher Freund", um einen der Peinlichkeit preiszugeben, etwa wenn man ein Baiser als baiser (Kuss) statt als meringue bestellt. "Quelle blamage!", möchte man da zu sich selber sagen, doch das sollte man bleiben lassen, weil "Was für eine Blamage!" auf Französisch "Quelle honte!" heißt. Blamage gibt es im Französischen nicht, ein Faktum, auf das uns Leser S. aus blamablem Anlass hinweist. Faktum heißt bei unseren Nachbarn übrigens fait, deren factum bei uns hingegen Streitschrift. "Sellerie" beziehungsweise "C'est la vie".

"FRANZÖSISCH MÜSSTE man können!", meint auch Leser L., der tadelt, dass wir in der Berichterstattung über Belgiens König Albert II. den Terminus règne mit Regentschaft wiedergegeben haben. Der TitelRegent ist insofern doppeldeutig, als er den Herrscher oder dessen Stellvertreter meinen kann. Mit Regentschafthingegen bezeichnet man heute ausschließlich die stellvertretende Herrschaft für einen, der sein Amt - aus welchen Gründen immer - nicht ausüben kann. Bei Albert II. war das nicht nötig.

© SZ vom 13./14.07.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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