Sprachlabor (203):Angemessenheitsprüfung!

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Ein Duden der deutschen Rechtschreibung liegt auf einem Brett des Wortspiels "Scrabble" inmitten von Buchstaben-Spielsteinen. (Foto: ag.ddp)

SZ-Redakteur Hermann Unterstöger findet die Erklärung im Duden.

AUCH "METAPHORISCHE VERSATZSTÜCKE" bedürfen nach Ansicht unseres Lesers Dr. S. hin und wieder einer Tauglichkeits- oder, genauer gesagt, Angemessenheitsprüfung. Als Anlass für seine These dient ihm dieser Satz aus einem glossierenden Stück über Stalins anhaltende Beliebtheit: "Der schnauzbärtige frühere Kremlchef hat eine blutige Spur des Terrors durch das Land gezogen." Wer da glaubt, es ginge Herrn S. um die launige, in einem anderen Kontext Gemütlichkeit evozierende Bezeichnung "schnauzbärtiger Kremlchef", der irrt. Ihm geht es vielmehr um die Metapher der "blutigen Spur", die, grausig genug, üblicherweise auf einen durch die Lande ziehenden Mörder, einen Wanderkiller sozusagen, angewendet wird und in dem Filmtitel "Leichen pflastern seinen Weg" ihr adäquates Geschwister hat. Bei Stalin kann man von einer Blutspur indessen nicht sprechen, weder real noch metaphorisch. Nach allem, was man über ihn weiß, arbeitete er flächendeckend.

"AUSBREMSEN", WIE GEHT DAS? Unser Leser H. schildert es so: "Wenn z. B. Herr Vettel vor einer Kurve später oder weniger heftig bremst als Herr Alonso und so an ihm vorbeigeht, dann hat er ihn ausgebremst." Im Duden findet sich noch eine Erklärung: "Sich vor jemanden setzen und durch Bremsen behindern." Herr H. sieht den Terminus allenthalben irrig verwendet, bei uns etwa in dem Satz: "Aber wenn die Nachfrage weltweit stockt, ist die Chemie schon ausgebremst", bei dem er das Gefühl hat, dass die Autorin das karge Verb bremsen durch ein Präfix aufmöbeln wollte. Im Sportteil, wo man sich mit dem Ausbremsen auskennen müsste, fand er ebenfalls ein Beispiel. Dort hatte es von dem Investor Hasan Ismaik geheißen, er sei bei 1860 München von der 50-plus-1-Regel ausgebremst worden. Wie es aussieht, handelt es sich in diesen und vergleichbaren Fällen um den übertragenen Gebrauch des Wortes, im Sinn von austricksen oder generell behindern . Im Bericht über Herrn Ismaik stand übrigens ein paar Zeilen weiter, er sei von der 50-plus-1-Regel "eingebremst" worden. Ist der TSV 1860 München am Ende ein Motorsportverein?

DAS MAGAZIN "FRIEZE" brachte kürzlich ein Gespräch über Frauenkunst, in dem, auf den Feminismus bezogen, dieser Satz fiel: "Da gibt's keine gesicherten Pfründe." Er wurde in unserem Feuilleton zitiert, mit der zu erwartenden Folge, dass etliche Leser den Finger hoben. Und in der Tat: Es gibt auch keinen Pfrund , von dem sich der Plural Pfründe ableiten ließe. Es heißt "unerbitterlich" (Karl Valentin): die Pfründe, die Pfründen .

© SZ vom 15./16.06.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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