Sprachlabor (199):Sich für eine Variante entscheiden

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Das Archivbild (2007) zeigt die überdimensionalen Ausgaben der Brockhaus-Enzyklopädie, die Arbeiter im Vorfeld der Buchmesse in Frankfurt am Main aufstellen. (Foto: dpa)

SZ-Redakteur Hermann Unterstöger blättert im Brockhaus und klärt Streitfragen.

DIE GESCHLECHTLICHE IDENTITÄT ist auch bei Wörtern oft unsicher: der/das Gulasch, der/das Radio, der/das Prospekt. Im Fall von Hehl lassen sowohl Duden als auch Sprachgebrauch beide Formen zu, wobei schon Grimm das Neutrum für das Übliche hält. Im Alltag treffen wir den/das Hehl fast nur noch in der Fügung keinen/kein Hehl daraus machen , doch sollte, wer es verwendet, sich für eine Variante entscheiden. Bei uns wurde das, noch dazu in einer Worterklärung für Hehl , munter durcheinandergeworfen. Leserin Dr. W. war schwer verärgert und hatte, wie es in Karl von Holteis Großroman "Christian Lammfell" einmal heißt, "dessen kein Hehl".

ÜBER DIE SPONTANEITÄT erfährt man im uralten Brockhaus, dass sie einem Wesen dann beigelegt werde, wenn dessen Wirken "in seinen eigenen innern Zuständen und Thätigkeiten begründet" ist. Gesetzt nun, jemand würde in der Tiefe seines Innern dies Wort lieber von spontan als von spontané herleiten und darum Spontanität statt Spontaneität schreiben: Wie stünde er da? Er stünde insofern ganz gut da, als auch Google der Variante Spontanität deutlich mehr Treffer gibt. Bei der Irrelevanz solcher Ergebnisse steht er freilich auch auf sumpfigem Boden, und so sei das Wort an Leser Dr. F. weitergegeben, der beklagt, dass bei uns wieder einmal die "Spontanität ihr gräßliches Haupt" erhoben habe.

DER "SPIESSROUTENLAUF" ist weniger selten, als Kollege H. glaubt, der ihn in unserem Sportteil fand und sofort seinen "Rutenplaner" nach Details befragen wollte. Er taucht sporadisch auch in anderen, durchaus honorigen Medien auf, und wir können mit einem gewissen Stolz vermelden, dass wir wenigstens in diesem Lauf die Nase nicht vorn haben.

"BRAUCHTE" ODER "BRÄUCHTE"? Wenn es um diese alte Streitfrage geht, werden regelmäßig die Verben rauchen und tauchen in den Zeugenstand gerufen, die, wie Leser M. aus aktuellem Anlass schreibt, im Konjunktiv II ohne Umlaut auskämen, in dieser Hinsicht also Vorbild für brauchen sein könnten. In der Tat sagt niemand "Wenn ich dürfte, räuchte ich jetzt" oder "Wäre ich am Meer, täuchte ich", doch ist bei diesen Wörtern die Ausgangslage anders. Die Konjunktive rauchte/tauchte kommen so gut wie nie vor, werden vielmehr mit würde rauchen/tauchen umgangen. Der Konjunktiv brauchte hingegen ist gängig, kann jedoch leicht mit dem Indikativ brauchte verwechselt werden. Unter diesem der Praxis abgewonnenen Aspekt hat das umgangssprachliche bräuchte durchaus ein kleines Lebensrecht.

© SZ vom 18./19./20.05.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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