Sprachlabor (195):Die Ohren spitzen

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Ein Hinweisschild mit Bundesadler hängt vor dem Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe. (Foto: dpa)

SZ-Redakteur Hermann Unterstöger geht Leserklagen auf den Grund.

DIE VERMENSCHLICHUNG nicht genuin menschlicher Wesen oder Phänomene ist eine beliebte rhetorische Figur: das lachende Glück, der weinende Himmel, der blinde Zufall und so weiter. Oft werden auch Städte vermenschlicht, vor allem, wenn sie Regierungssitz sind - wahrscheinlich hat man schon in der Antike zu Schlagzeilen wie "Athen winkt Sparta mit dem Zaunpfahl" oder "Karthago pfeift auf Rom" gegriffen, wenn es zu mühsam gewesen wäre, die politischen Verhältnisse sachlich zu schildern. Leser B. ist von solchen Personifikationen wenig begeistert und hält sie, wenn sie zu Verwirrung führen, sogar für eine Unart. Als Beispiel zieht er die Unterzeile "Karlsruhe untersagt generelles Verbot von Hunden und Katzen" heran, die auf den ersten Blick so aufgefasst wird, als habe sich das Bundesverfassungsgericht mit dem Thema beschäftigt. Der zweite Blick lehrt, dass es der ebenfalls in Karlsruhe ansässige Bundesgerichtshof war, der das Urteil gefällt hatte. So oder so, Berlin dürfte die Ohren gespitzt haben.

WENN CAROLINE von Monaco Oma wird, ist das natürlich ein Ereignis, dem kein fühlendes Herz sich verschließt. Auch unser Leser Dr. K. nahm die Geburt des Enkels zur Kenntnis, wobei seine Gefühle andere Wege gingen als die klassischer Monaco-Fans. Er stieß sich daran, dass der Name des Buben "zunächst nicht verraten" wurde, dass dieser Mitteilung jedoch nicht das folgte, was seiner Ansicht nach unbedingt hätte folgen müssen, nämlich das Nachreichen des Namens, um nicht zu sagen: des Klarnamens. Dr. K. ist nicht der Einzige, der das alleinstehende Adverb zunächst mit Missfallen sieht. Viele Leser haben sich schon darüber beklagt, dass sie speziell in Polizeiberichten mit allerlei "zunächst unbekannten Gründen" konfrontiert würden, ohne dass man ihnen die der zeitlichen Logik nach unentbehrlichen bekannten Gründe dazu- oder nachlieferte. Stellvertretend für sie und mit gehöriger Süffisanz sagt Leser R., was ihn dabei umtreibt. "Ich frage mich in solchen Fällen immer", schreibt er, "warum der Artikelschreiber/die Artikelschreiberin mich nicht am neuesten Wissenstand teilhaben lässt, sondern mich mit bereits veralteten Informationen abspeisen will." Hoffen wir, dass sich die Frage demnächst erübrigt.

AUS GRAUBÜNDEN wurde dies berichtet: "In Vollmondnächten ziehen Schaulustige los, sie wollen die Wölfe heulen hören." Unser Leser Dr. Sch. fragt sich seither, ob es auch die Gattung der Hörlustigen gibt. Gibt es: Schon Goethe erwähnte Zelter gegenüber die "Schau-und Hörlustigen".

© SZ vom 13./14.04.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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