Sprachlabor (194):Launige Kritik

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Der damalige Bundeswirtschaftsminister Ludwig Erhard im Urlaub am Tegernsee am 18. August 1963.  (Foto: dpa)

SZ-Redakteur Hermann Unterstöger erklärt falsche Geschlechter und schwache Beugungen.

DER EINSATZ VON RAUMSTÄNDERN sei rückläufig, schreibt Leser Dr. B., und er übt auf diese Weise launige Kritik an der Doublette, wonach zunächst eine Unterbringung in der Psychiatrie im Raum gestanden sei und zwei Zeilen danach eine juristische Frage. Herr B. erinnert bei dieser Gelegenheit an Kanzler Erhard, der zu Präsident de Gaulle einst sagte, eine bestimmte Frage stehe "noch nicht lotrecht im Raum". Chefdolmetscher Hermann Kusterer sei sehr erschrocken, sagt unser Leser, und er fährt fort: "Leider habe ich vergessen, wie Kusterer das ins Französische rüberräumte - aber er wurde zum Offizier der Ehrenlegion ernannt." Das lassen wir mal mit Respekt im Raum stehen.

NICHT STEHEN LASSEN wir hingegen das Katheder , das ein Mann mit Bandscheibenproblemen in den Wirbelkanal geschoben bekam, noch dazu, wie Leserin Dr. S. bemerkte, mit dem falschen grammatikalischen Geschlecht, nämlich dem männlichen. Ohne Außenmaße zu haben, nehmen wir an, dass so ein Katheder nie und nimmer in einen Wirbelkanal passt, sehr im Gegensatz zum Katheter , der dafür geschaffen ist. Beiden "Möbeln" liegen schöne altgriechische Verben zugrunde, was wir hier aber nicht vertiefen wollen.

OBWOHL ZENTAUREN in aller Regel stärker sind als Autoren, werden sie, im Gegensatz zu diesen, schwach gebeugt. Es heißt also, wie uns Leser E. in Erinnerung bringt, der Zentaur, des Zentauren , dafür aber der Autor, des Autors . Für Freunde der Statistik sei nachgereicht, dass der Zentaur/Kentaur in der bei uns gespeicherten Presse während der letzten zehn Jahre nur ein Dutzend Mal vorkam, dafür aber fast immer falsch dekliniert wurde. Anders verhält es sich mit dem Autor , dem die Legende nachgeht, dass er von uns Analphabeten durchgehend falsch gebeugt werde. Unsere Datenbank liefert für des Autoren 44o Treffer, für des Autors dagegen 16 790. Darf man doch mal sagen, oder?

ÜBER DEN OBERHARZ war zu lesen, er sei "ein Märchen von seltsamen Dingen, die Menschen tun, inmitten eines Gebirges, in dem die Hexen tanzen und die Sagen woben". Zu den seltsamsten Dingen, die Menschen tun, gehört nach Ansicht unseres Lesers B. diese Verwendung des Präteritums woben . Wenn es von weben abgeleitet ist, wäre es den Sagen als Subjekt zuzuordnen. "Aber", fragt B. zu Recht, "können Sagen weben?" Sie können es nicht. Wohl aber können sie gewoben werden, und wenn das geschieht, gibt es sagenumwobene Dinge - wie zum Beispiel die Beugung unserer Verben.

© SZ vom 30./31.03./01.04.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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