Sprachlabor (190):Das Grundwort "Pfriem"

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Ein Geistlicher hält eine Bibel in seinen verschränkten Händen. (Foto: dpa)

SZ-Redakteur Hermann Unterstöger schwingt ab und startet einen Rettungsversuch.

CHINESEN könnten aus einem Taschentuch und einem Kugelschreiber eine Federkernmatratze "friemeln". So stand es bei uns, und wenn daran etwas irritiert, dann weniger die chinesischen Fertigkeiten als das Verb friemeln , das sich anhört, als sagte ein sehr vornehmes Mädchen, die Ferde auf dem Ferdehof seien total süß. Der Duden lässt friemeln als Nebenform von pfriemeln gelten; beides bedeutet drehen, zwirbeln oder basteln . Das Grundwort Pfriem liegt uns Heutigen so fern, dass es gern mit Priem gleich Kautabak verwechselt wird, der seinerseits nicht mit der Prim (Morgengebet, Fechtstellung, Grundton der Tonleiter) verwechselt werden sollte. Der Pfriem ist ein spitzes Instrument aus Stahl, eine Ahle, weswegen man sich fragt, ob Federkernmatratzen ge(p)friemelt werden können. In der Bibel findet sich diese Anwendungsmöglichkeit: Will ein Knecht nicht frei werden, so halte man ihn an einen Pfosten "und bohre ihm mit einem Pfriemen durch sein Ohr" (2 Mose 21, 5 und 6).

DASS SCHIFOAN des Leiwandste is, was ma si nur vurstön ko, wissen wir von Wolfgang Ambros. Ist das "Obkrisdln" auch leiwand? Unser Sportteil hat sich da nicht festgelegt, wohl aber das Wort mit "Schneekristalle zum Spritzen bringen, abschwingen" erklärt. Vielleicht war das mit den Schneekristallen nur als Schmäh gedacht. Nichtsdestoweniger wollte unsere Leserin B.-H. darauf verwiesen haben, dass hinter dem Obkrisdln der Kristiania-Schwung stehe, womit wir wieder beim Abschwingen wären. Dem Verfasser dieser Kolumne ist der Skisport Blunzn, aber dass, wie er bei Gelegenheit des Obkrisdlns lernte, Oslo früher Kristiania hieß, freut ihn dann doch.

"IN KEINSTER WEISE": Über dieser Floskel sind wahrscheinlich schon Ehen zerbrochen und Freundschaften gescheitert. Von der Sache her ist nichts vorzubringen, was so einen Superlativ stützen könnte. Zwar liest man immer wieder, dass keinster, keinste, keinstes als Elativ zu werten sei, wahlweise auch als Hyperlativ. Dieser Rettungsversuch krankt aber daran, dass wir es bei kein mit keinem Adjektiv zu tun haben, sondern mit einem Indefinitpronomen, das seiner Natur nach nicht gesteigert werden kann, jedenfalls nicht auf seriöse Weise. Der springende Punkt ist jedoch dies: Unter den Stilblüten genießt die keinste Weise unsere, mit Verlaub, vollste Anerkennung. Bei der von Leser B. kritisierten Aussage, eine Lehrerin sei ihrem Job "in keinster Weise gewachsen", handelte es sich außerdem um die Kunstform der "erlebten Rede": Nicht unser Autor spricht so, sondern die Leute, die so über Lehrer reden.

© SZ vom 02./03.03.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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