Sprachlabor (189):Viel zu viele Doppelpunkte

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Die undatierte Aufnahme zeigt den Fremdsprachenunterricht im Sprachlabor einer Schule in Frankfurt am Main. (Foto: ag.dpa)

SZ-Redakteur Hermann Unterstöger erklärt ein Adjektiv und eine peinliche Lage.

DER DOPPELPUNKT sperrt (so Karl Kraus und, ihn zitierend, Theodor W. Adorno) den Mund auf, und wehe dem Schriftsteller, der ihn nicht zu füttern weiß. Unser Leser und einstiger Kollege G. ist der Meinung, dass bei uns in letzter Zeit viel zu viele Doppelpunkte herumstünden, die nicht hinreichend gefüttert würden und sich irgendwann zu weiß Gott was hinreißen lassen könnten. Er belegt das mit einem Klassiker dieser Manie: "Zitiert werden wollen auch diese Leute allesamt: nicht." Dazu passt die einer Rubrik entnommene Unterzeile "Das Königreich liegt sich formidabel in den Haaren - das ist auch: komisch", die zum Doppelpunkt auch noch den hohlen, gleichwohl wichtigtuerischen Gedankenstrich bietet. Als Ulrich Holbein in der Zeit dieses Thema abhandelte, schmückte er seinen Traktat mit einem Satz Marcel Reich-Ranickis über Arno Schmidt: "An der Breslauer Universität studierte er Mathematik und Astronomie, brach indes das Studium schon sehr schnell ab:" - o Gott, denkt man, was wird jetzt kommen: weil ihm das Geld ausgegangen war, weil er die Tochter des Rektors verführt hatte? Nichts von all dem. Schmidt brach sein Studium "sehr schnell ab: im Jahre 1933." Lieber G., die Kolleginnen und Kollegen werden, sollten sie dies lesen, darüber: nachdenken.

DEUTSCHLANDS ÄRGSTE ZEIT schildert Andreas Gryphius so: "Die alte Redlichkeit und Tugend ist gestorben, / die Kirchen sind verheert, die Starken umgehaun . . ." Das Adjektiv verheert ist in der Gegenwartssprache kaum noch anzutreffen, dafür umso öfter sein naher Verwandter verheerend , und zwar meist als Drei-Sterne-Synonym für das eher banale schlimm . Von der Sache her ist es aber so, dass zunächst jemand verheerend wirken muss und danach erst das Terrain verheert ist. In diesem Sinn kritisiert Leser S. unsere Aussage, dass Spaniens Justiz "in einem verheerenden Zustand" sei. Die Juristen, sagt er, hätten verheerend gewirkt. Nun sei die Justiz verheert, die Starken umgehaun - na, na, na, Gryphius, nicht schon wieder!

WIE REDEN SEKRETÄRINNEN? Nun, jedenfalls nicht so, wie das eine Karikatur unterstellte. Das Blatt zeigte eine sitzende Sekretärin, die den vor ihr stehenden Chef folgendermaßen ansprach: "Ich habe da kein Problem: Um Ihre Kommentare als sexistisch zu empfinden, würde es voraussetzen, Sie vorher als Mann wahrgenommen zu haben . . ." Unsere Sekretärinnen würden so sagen: "Um deine Kommentare als sexistisch zu empfinden, müsste ich dich vorher als Mann wahrgenommen haben. " Gottlob kommen sie nie in diese peinliche Lage.

© SZ vom 23./24.02.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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