Sprachlabor (185):Pfeifendeckel!

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Schweine mit einem Pfennig als Glücksbringer für das neue Jahr. (Foto: KNA)

SZ-Redakteur Hermann Unterstöger widmet sich Wortspielen.

DAS NEUE JAHR macht, wenn es wie hier in Versalien geschrieben wird, keine Probleme. Vor zwei Wochen standen keine Versalien zur Verfügung, und die Folge davon war, dass das neue Jahr auf dieser Seite zweimal als "Neues Jahr" auftrat, was Leserin G. zu der Frage animierte, was dem Adjektiv neu im Zusammenhang mit dem Jahr widerfahre. Nun, in beiden Fällen fielen die Autoren der Vermutung zum Opfer, das neue Jahr sei eine Wortgruppe von der Sorte Weißer Sonntag oder Schwarze Witwe , die das Privileg des mit einem großen Initial geschriebenen Attributs genießen. Pfeifendeckel! Das neue Jahr wird klein geschrieben, gehört also in dieser Hinsicht zur mittleren Reife , zum italienischen Salat und zur grauen Maus .

EIN VETERAN der Sprachkritik ist die Konkurrenz Denkart vs. Denkungsart . Wie er uns dafür gewinnen könne, das "dämliche Wort" Denkungsart abzuschaffen, will unser Leser W. wissen. Das wird sich leider nicht machen lassen. Natürlich steht die Denkart dank Schillers "Milch der frommen Denkart" wie ein Monument da, und gegen die Denkungsart wird auch gern vorgebracht, dass sie als Wort hässlich sei und dass es auch keine Denkung gebe, um wie viel weniger eine Denkungsart . Die Praxis ist über solche Bedenken immer hinweggegangen. Wenn einer wie Georg Christoph Lichtenberg vom "Knochengebäude unserer Denkungsart" (Sudelbücher, G 25) spricht, sollten wir dem Wort unseren Respekt nicht versagen.

DIE DRUCKREIFE des Prädikats "konzertreife Pianistin" stellt unser Leser K. in Abrede, zweifelt sie zumindest an. Es scheint sich hier um einen Grenzfall zu handeln. Links davon steht die Frühreife , die bedenkenlos adjektivisch - frühreife Kinder - verwendet wird. Rechts hingegen die Platzreife , von der laut Internet bisher nur im St. Gallener Stadtmagazin ein platzreifer Golfer abgeleitet wurde. Herr K. besitzt bei den Münchner Philharmonikern ein Abonnement; ob er deswegen auch schon konzertreif ist, muss offen bleiben.

VON DER IDENTITÄT eines nur auf einem Video zu sehenden Mannes hieß es bei uns, diese sei "unklar". Für Leser H. ist damit nur eines klar: dass unklar das Zeug zum Unwort des Jahres habe, weil es inflationär verwendet werde und das unverwechselbare unbekannt zu verdrängen drohe. Ein paar Zeilen weiter werden "Sicherheitskreise" mit dem Satz "Wir wissen nicht, wer der Mann ist" zitiert, ein klarer Beleg dafür, dass er unbekannt ist. Unklar könnte, so Herr H., allenfalls das Video gewesen sein.

© SZ vom 26./27.01.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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